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Kernkraftwerk Borken

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Kernkraftwerk Borken
Standort
Land Flag of Germany.svg Deutschland
Bundesland Hessen
Ort Borken
Koordinaten 51° 2′ 0″ N, 9° 16′ 0″ OTerra globe icon light.png 51° 2′ 0″ N, 9° 16′ 0″ O
Reaktordaten
Eigentümer Preussenelektra Kernkraft GmbH & Co KG
Betreiber Preussenelektra Kernkraft GmbH & Co KG
Planungen storniert 1988
Pläne storniert 1 (1300 MW)
Zusatzfunktion Fernwärme
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Die Quellen für diese Angaben sind in der Zusatzinformation einsehbar.

Das Kernkraftwerk Borken (Abkürzung KWB) sollte nahe Borken im Bundesland Hessen entstehen. Das zwischen den Borkenern Ortsteilen Gombeth und Singlis geplante Werk wurde aufgrund politischen Widerstands und fehlendem Strombedarf seitens Preussenelektra 1988 endgültig zurückgezogen.

Geschichte

Erstmals im Jahre 1973 kündigte die Preussenelektra an ein Kernkraftwerk im hessischen Borken, Bezirk Kassel, errichten zu wollen. Geplant war ein 1300 MW starker Leichtwasserreaktor, der baulich mit den Anlagen Emden, Cuxhaven und Brokdorf identisch sein sollte. Auf der Reaktortagung in Berlin 1974 gab die Preussenelektra bekannt, dass man URENCO als erstes deutsches Versorgungsunternehmen über eine Absichtserklärung den Auftrag erteilt habe, Uran für den Brennstoff ein neues Kernkraftwerks im hessischen Borken anzureichern.[1][2] Die ersten Planungen rechneten mit einer Inbetriebnahme des Werkes frühstens 1982.[3] Der Energieversorger reichte am 11. September 1974 ein Gesuch für die erste Teilerrichtungsgenehmigung des Werkes beim Hessischen Wirtschaftsministerium ein. Im Laufe des Jahres 1975 sollte der Auftrag des Werkes vergeben werden, sodass der Block frühestmöglich 1976 in Bau hätte gehen können.[4] Noch 1975 und 1976 wurden Bohrungen am Standort vorgenommen um ihn auf seine Eignung zu erkunden.[5]

Örtlich kam es allerdings zu Widerstand gegen das Kernkraftwerk die sich in Form von Protesten widerspiegelten.[6] Dies führte dazu, dass der Auftrag bis 1976 nicht vergeben wurde und auf 1977 verschoben wurde. Dies hatte zur Folge, dass der Bau erst 1978 hätte beginnen könnten und die Inbetriebnahme frühstens 1984 realisiert werden hätte können.[7] Die Daten für die Vergabe und Baubeginn wurden 1977 zwar beibehalten, die Inbetriebnahme aber auf 1985 verschoben.[8] Bis 1978 ließ die Preussenelektra Angebote von verschiedenen Lieferanten für einen Druckwasserreaktor zukommen.[9] Die Bürger von Borken mobilisierten sich innerhalb dieser Zeit zu Bürgerinitiativen gegen das Kernkraftwerk und veranstalteten entsprechende Informationsveranstaltungen, in denen vornehmlich Aktivisten das Wort hatten. Auch die Kirchengemeinde von Borken engagierte sich gegen das Kernkraftwerk.[10] im jahr 1981 machte die Bundesregierung unter SPD-Kanzler Helmut Schmidt Druck auf die Betreiber und hielt es erforderlich, dass Borken unter anderem mit den Kernkraftwerken Neupotz-1 und Pfaffenhofen noch innerhalb der laufenden Legislaturperiode eine Baugenehmigung erhalten.[11]

Aufgrund der fortwährenden Verzögerungen und den richterlichen Entscheidungen zum Kernkraftwerk Wyhl verschob die Preussenelektra die Inbetriebnahme und damit den Bau des Werkes auf unbestimmte Zeit.[12] Die Planungen für das Kernkraftwerk wurden bis auf weiteres eingestellt.[13] Am 3. August 1982 wurde der Standortsicherungsplan von Hessen seitens der Landesregierung abgeändert. Demnach waren von den zuvor zwölf gelisteten Standorten nur noch Biblis, Borken, Wölfersheim und Großkrotzenburg übriggeblieben. Dies bedeutete für Borken jedoch, dass es für den Bau eines Kernkraftwerks keinen Alternativstandort mehr gibt als die vier gelisteten Anlagen.[12] Im Jahr 1984 rechnete die Preussenelektra nicht vor 1995 mit der Inbetriebnahme und Notwendigkeit dieses Kernkraftwerks.[14] Im November 1985[15] reaktivierte die Preussenelektra das Projekt da sie langfristig plante ab 1993 das am Standort befindliche Kohlekraftwerk abzuschalten. Die CDU-Fraktion im Hessischen Landtag sprach sich in der Folge dafür aus das Kernkraftwerk und die Prüfverfahren zügig umzusetzen. Der Zeitraum war im Schnitt sehr eng berechnet, da das Kernkraftwerk bereits 1993 zur Verfügung stehen soll, wenn das Kohlekraftwerk vom Netz geht. Das hessische Wirtschaftsministerium wollte allerdings vor der Prüfung des Projekts selbst erst eine Bedarfsprüfung durchführen, ob das Werk überhaupt nötig sein würde.[16] Im Gegensatz zum älteren Projekt wurde die benötigte Leistung des Werkes nach oben korrigiert womit der Block nach dem Konvoi-Programm ausgelegt wurde und mindestens eine Leistung von 1370 MW zur Verfügung stellen sollte.[15]

Nach dem Unfall im Kernkraftwerk Tschernobyl am 26 April 1986 versuchte die rot-grüne Landesregierung jedoch das Werk endgültig zu verhindern.[17] Diese lehnte den Prüfantrag nach viermonatiger Prüfung[18] am 18. Dezember 1986 ab.[15] Für Preussenelektra war das kein Problem, da bisher kein Bauantrag gestellt wurde und das Kraftwerk nach den letzten Bedarfsrechnungen erst Mitte der 1990er benötigt werden würde.[19] Grund für die Ablehnung war, dass das Hessische Wirtschaftsministerium errechnete, dass es keinen Zuwachs im Stromverbrauch in Hessen geben werde und daher der Block nach Paragraph 4 des Energiewirtschaftsrechtes überflüssig wäre und die Bedarfsprognose der Preissenelektra falsch berechnet sei. Totzdem klagte die Preussenelektra gegen diese Ablehnung beim hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel und fochte damit diese Schlussfolgerung des Ministeriums an.[15] Im Jahr 1987 zog das Unternehmen jedoch die Klage zurück.[20] Der SPD-Kandidat auf das Amt des Ministerpräsidents in Hessen, Hans Krollmann, erörterte allerdings noch 1987 den möglichen Bau eines Hochtemperaturreaktors in Borken, während der CDU-Kandidat das Werk für überflüssig hielt.[21] Da auch andere Betreiber ihre Kernkraftwerksprojekte bis 1988 zurückstellten wurde auch Borken bis zum entsprechenden Bedarfsmoment zurückgestellt. Langfristig erwartete man allerdings aufgrund der wohl in Zukunft nötigen Dimensionen, dass sowohl die Größe des Projekts, als auch der Kraftwerkstyp sich unterscheiden werden. Die Zeitschrift Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 33 aus dem Jahr 1988 ging deshalb nicht mehr von einem Kernkraftwerk aus, sondern einem konventionellen Großkraftwerk.[22] Als Alternative zum Kernkraftwerkslock erwog Preussenelektra ab 1990 den Bau eines Steinkohlekraftwerks.[23]

Wissenswertes

  • Bis zur endgültigen Einstellung des Projekts wurde für das geplante Kraftwerk das Kürzel KWB verwendet. Erst seit der Projekteinstellung wird das Kürzel für das Kernkraftwerk Biblis verwendet.[15]
  • Das Werk sollte in der überarbeiteten Fassung vom November 1985 neben Elektrizität auch Fernwärme aus speisen.[15]

Daten der Reaktorblöcke

Das Kernkraftwerk Borken sollte mir einem Block ausgestattet werden, dessen Planungen storniert wurden.

Reaktorblock Reaktortyp Leistung Baubeginn Netzsyn-
chronisation
Kommer-
zieller Betrieb
Stilllegung
Typ Baulinie Netto Brutto
Borken[24] DWR KWU-Baulinie '80 1.200 MW 1.300 MW Planungen storniert

Einzelnachweise

  1. Kerntechnische Gesellschaft im Deutschen Atomforum: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 19. Handelsblatt GmbH, 1974. Seite 194, 217.
  2. Arbeitsgemeinschaft Chemische Industrie, Verband der Chemischen Industrie: Chemische industrie: Zeitschrift für die deutsche Chemiewirtschaft, Band 26. 1974. Seite 386.
  3. C. W. Wilson: World Nuclear Directory. Francis Hodgson, 1981. Seite 253.
  4. Kerntechnische Gesellschaft im Deutschen Atomforum: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 20. Handelsblatt GmbH, 1975. Seite 149.
  5. Hessisches Landesamt für Bodenforschung: Geologisches Jahrbuch Hessen, Bände 104-105. Hessisches Landesamt für Bodenforschung, 1976. Seite 276.
  6. Rainer Obst, u.a.: Wyhl, Analyse einer Bürgerbewegung gegen Kernkraftwerke. Inst. für Marxist. Studien u. Forschungen, 1976. Seite 85.
  7. Kerntechnische Gesellschaft im Deutschen Atomforum: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 21. Handelsblatt GmbH, 1976. Seite 128.
  8. Kerntechnische Gesellschaft im Deutschen Atomforum: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 22. Handelsblatt GmbH, 1977. Seite 132.
  9. Kerntechnische Gesellschaft im Deutschen Atomforum: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 23. Handelsblatt GmbH, 1978. Seite 177.
  10. Materialien zur Politischen Bildung: Analysen, Berichte, Dokumente. Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten e.V., 1978. Seite 6 bis 9.
  11. P. KULIK: ETZ, elektrotechnische Zeitschrift, Band 102,Ausgaben 1-13. Verband Deutscher Elektrotechniker, Energietechnische Gesellschaft im VDE. Seite 434.
  12. a b Kerntechnische Gesellschaft im Deutschen Atomforum: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 27. Handelsblatt GmbH, 1982. Seite 230, 490.
  13. Kerntechnische Gesellschaft im Deutschen Atomforum: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 28. Handelsblatt GmbH, 1983. Seite 218.
  14. Jahrbuch für Bergbau, Energie, Mineralöl und Chemie. Verlag Glückauf., 1984. Seite 499.
  15. a b c d e f Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 32. Handelsblatt GmbH, 1987. Seite 57, 187.
  16. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 31. Handelsblatt GmbH, 1986. Seite 201.
  17. Rudolf Augstein: Der Spiegel. Spiegel-Verlag, 1986. Seite 46.
  18. Nuclear Engineering International: Nuclear Engineering International, Band 32,Ausgaben 390-401. Heywood-Temple Industrial Publications Limited, 1987. Seite 68.
  19. Capital, Band 26. Capital Verlagsgesellschaft, 1987. Seite 31.
  20. Rainer Walz: Die Elektrizitätswirtschaft in den USA und der BRD: Vergleich unter Berücksichtigung der Kraft-Wärme-Kopplung und der rationellen Elektrizitätsnutzung. Physica-Verlag, 1994. ISBN 3790807699. Seite 201.
  21. Der Spiegel: Wir wollen nicht aussteigen, 30.03.1987. Abgerufen am 25.10.2013. (Archivierte Version bei Archive.is)
  22. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany): Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 33. Handelsblatt GmbH, 1988. Seite 188.
  23. Industriegewerkschaft Bergbau und Energie: Einheit: Zeitung der IG Bergbau und Energie. Berg-Verlag, 1990. Seite 2.
  24. Power Reactor Information System der IAEA: „Nuclear Power Reactor Details - BORKEN (KWB)“ (englisch)

Siehe auch