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Kernkraftwerk Großwelzheim

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Kernkraftwerk Großwelzheim
Standort
Land Flag of Germany.svg Deutschland
Bundesland Bayern
Ort Karlstein am Main
Koordinaten 50° 3′ 29″ N, 8° 59′ 13″ OTerra globe icon light.png 50° 3′ 29″ N, 8° 59′ 13″ O
Reaktordaten
Eigentümer RWE
Betreiber Heißdampfreaktor-Betriebsgesellschaft mbH
Betriebsaufnahme 1969
Stilllegung 1971
Stillgelegt 1 (25 MW)
Einspeisung
Eingespeiste Energie seit 1969 6,2 GWh
Stand der Daten 10. Juli 2010
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Die Quellen für diese Angaben sind in der Zusatzinformation einsehbar.

Das Kernkraftwerk Großwelzheim (auch Heißdampfreaktor Großwelzheim, kurz HDR) stand nahe der Gemeinde Großwelzheim am Main. In der unmittelbaren Nähe befand sich das Kernkraftwerk Kahl, das 1985 stillgelegt wurde. Das Kernkraftwerk Großwelzheim diente zur Entwicklung eines Kernreaktors, der mit Heißdampf arbeiten konnte. Die Anlage wurde vollständig zurückgebaut.

Geschichte

Die EWV äußerte den Wunsch, aus Kernreaktoren Heißdampf zu gewinnen. Man wollte für dieses Verfahren keinesfalls einen neuen Reaktortyp entwickeln, sondern auf basierenden Konzepten aufbauen. Man erwägte dies mit Leichtwasserreaktoren durchzuführen, da dies wirtschaftlicher erschien, als einen ganz neuen Reaktortyp zu entwickeln. Einen ähnlichen Vorschlag hatte AEG im Rahmen des 500 MW-Projekts bereits vorgestellt. Aufgrund dessen hatte die AEG bereits von der Studiengesellschaft für Kernkraftwerke GmbH den Auftrag für ein Vorprojekt bekommen. AEG hatte 1960 bereits einen weiterentwickelten Reaktor in Form des HDR im Programm für kleine und mittlere Reaktoren vorgestellt. Weltweit wurde diese Idee sehr interessiert verfolgt, weshalb die USA und die Sowjetunion ebenfalls Kernkraftwerke entwickelten, die Heißdampf erzeugen konnten. Die Vereinigten Staaten hatten bereits ein Modell auf Basis des Siedewasserreaktors am Kernkraftwerk Pathfinder errichtet, nach Plänen von von General Electic. In der Sowjetunion wurde die Heißdampferzeugung mit den AMB-Reaktoren in Belojarsk erprobt.[1]

Grundsätzlich kann Heißdampf auf zwei Arten erzeugt werden, wobei in jeder zwei verschiedene Möglichkeiten der Überhitzung denkbar sind:[1]

  • Sattdampf außerhalb des Siedewasserreaktors überhitzen
    • in einem zweiten, folgenden Überhitzerreaktor.
    • in einem konventionell gefeuerten Überhitzer mit Öl, Kohle oder Gas.
  • Überhitzung direkt im Reaktor vornehmen
    • indem zwei getrennte Zonen im Kern vorhanden sind; in der einen Zone wird der Dampf erzeugt und in der anderen überhitzt.
    • mit speziellen Brennelementen, die mit siedendem Wasser von außen gekühlt werden und Sattdampf erzeugen, der später noch einmal durch das Innere der Brennelemente geleitet wird und dort überhitzt wird.

Beim HDR entschied man sich für die direkte Überhitzung im Reaktor, mit dem Vorsieden des Wassers außen an den Brennelementen und die Überhitzung in den Brennelementen. Das amerikanischen Modell Pathfinder erzeugte seinen Heißdampf in einem konventionellen Überhitzer der mit Gas befeuert wurde. Andere amerikanische Heißdampfreaktoren wurden später mit zwei Zonen im Kern konstruiert. AEG begann von 1961 bis 1964 mit der intensiveren Verfolgung der Pläne. Durch den Reaktor könnte, so wurde damals erwartet, die Wirtschaftlichkeit der Heißdampfproduktion gesteigert werden, wobei die meisten Einsparungen bei der Turbine, dem Kühlwasser und den Brennstoffkosten gemacht werden könnten. Ziel des ersten Heißdampfreaktors sollte allerings nur die Demonstration des Prinzips sein. Im Juni 1963 legte die AEG erste Studien diesbezüglich vor. Die deutsche Atomkommission und der Bundesminister für Forschung befürworteten aufgrund dessen den Bau des Reaktors.[1]

Bereits in der Planungsphase gab es bezüglich der Brennelementen bereits Probleme. Um diese zu lösen wurde von 1961 bis 1964 ein Entwicklungsprogramm begonnen und die Brennelemente unter anderem im daneben errichteten Versuchsatomkraftwerk Kahl getestet. Das Programm sollte auch von 1965 bis 1968 während des Baus in einem zusätzlichen Programm fortgesetzt werden. AEG und General Electric übernahmen die Arbeit am Reaktor gemeinsam. Die Realisierung sollte nach den gleichen Grundsätzen erfolgen wie beim Bau des Mehrzweckforschungsreaktors in Karlsruhe: Der Träger sollte die Gesellschaft zur Förderung der Kernenergie sein, der Generalauftragnehmer die AEG und der zukünftige Betreiber eine Tochtergesellschaft eines Energieversorgers. Für die Realisierung halfen die Beziehungen der AEG zum RWE, die bereits zum Bau des Kernkraftwerks Kahl zusammen arbeiteten. Demnach übernahm eine Tochterfirma der RWE, die Versuchsatomkraftwerk Kahl GmbH, nach einer Erklärung im Jahr 1961 die laufende technische Begutachtung sowie die Projektierung. Damit wurde die Standortfrage ebenfalls automatisch geklärt, womit der Heißdampfreaktor in unmittelbarer Nachbarschaft zum Kernkraftwerk Kahl und dem Kohlekraftwerk Dettingen errichtet werden sollte. Errichtet wurde die Anlage auf dem Gebiet der Gemeinde Großwelzheim, woher das Kernkraftwerk auch seinen Namen erhielt.[1]

Für die Überwachung und dem Betrieb des Kraftwerks hat das RWE die Heißdampfreaktor-Betriebsgesellschaft mbH gegründet. Die Gesellschaft zur Förderung der Kernenergie beauftragte AEG in Verträgen vom 21. April 1964 und dem 6. August 1965 als alleinigen Auftragnehmer den Heißdampfreaktor zu einem Pauschalpreis und innerhalb von 42 Monaten schlüsselfertig zu errichten. Die Inbetriebnahme durfte maximal 12 Monate in Anspruch nehmen. Die Kosten für das Projekt lagen bei rund 117 Millionen deutsche Mark, wobei 84 Millionen für die Errichtung entfielen und 33 Millionen für den Entwurf und die Versuche. AEG selbst beteiligte sich mit 6,7 Millionen deutsche Mark. Mit dem Bau der Anlage wurde am 1. Juni 1965 begonnen.[1]

Betrieb, Probleme und schnelles Ende

Am 13. Oktober 1969 wurde der Reaktor erstmals kritisch gefahren. Allerdings wurde erst am 13. Mai 1970 mit der Dampferzeugung begonnen. Am 2. August 1970 wurde mit der Dampfabgabe an den Turbosatz im Kraftwerk Dettingen begonnen. Der ganze Prozess verzögerte sich entgegen den Verträgen aufgrund von Problemen mit den Materialien und der Fertigung. Besonders gab es Probleme mit den Brennelementen, unter anderem an den Hüllrohren und den Stopfen, sowie an den Gussteilen der Dampfführungen im Inneren. Bei Bestrahlungsversuchen gab es Schäden an den Hüllrohren, die auf Vibrationen von Schwingungsdämpfern zurückzuführen waren. Bereits am 13. März 1971 gab es ein weiteres Problem, nachdem der Reaktor 50 Prozent Leistung erreicht hatte. Aufgrund von Anzeichen von Undichtigkeiten wurde die Anlage am 20. April 1971 vom Netz genommen. Nach Untersuchung der Brennelemente wurde festgestellt, dass die Berechnungen für den Spaltgasraum der Brennelemente fehlerhaft waren und dieser zu klein ausgelegt war. Die Brennelemente waren aufgrund dessen nicht weiter verwendbar. Der Heißdampfreaktor blieb bis auf weiteres vom Netz.[1]

Nachnutzung

In Deutschland und anderen Ländern setzte sich die herkömmlichen Siede- und Druckwasserreaktoren immer mehr durch und wurden gegenüber konventionellen Kraftwerken konkurrenzfähig. Die Anlagen erreichten zudem immer höhere Leistungen. Aufgrund dessen stellte man die Forschung und Entwicklung des Heißdampfreaktors ein. Allerdings bot die Marktsituation die Möglichkeit, die Entwicklung von Brutreaktoren fortzusetzen, weshalb AEG Planungen begann, den Heißdampfreaktor in einen dampfgekühlten Brutreaktor umzubauen, genannt schnellthermischer Reaktor, kurz STR. Dadurch sollte das wirtschaftliche Potenzial der Dampfüberhitzung gesteigert werden. Hierzu wurden noch Fördersummen in Höhe von zehn Millionen DM zur Verfügung gestellt. Allerdings erklärte das Bundesministerium für Forschung im Namen des Ministers Gerhard Stoltenberg bereits im Februar 1969 das Ende für das Dampfbrüterprojekt. Die Initiative zum Umbau des Heißdampfreaktors in einen Leichtwassertestreaktor führte ebenfalls zu keinem Ergebnis. Die Anlage wurde nicht wieder angefahren.[1]

Im Jahr 1974 wurde der Kern des Reaktors entladen, wobei die Anlage noch nicht beseitigt wurde. Diese wurde im Rahmen eines 1975 verabschiedeten Programms für sicherheitstechnische Untersuchungen weitergenutzt, allerdings ohne Brennelemente.[1] Bis 1991 wurden die Versuche absolviert und ab 1992 mit dem Rückbau der Anlage begonnen. Bis zum Jahr 1998 wurde die Anlage vollständig beseitigt und bis zur grünen Wiese zurückgebaut.[2]

Technische Details

Die Anlage war mit einen Siedewasserreaktor mit einer elektrischen Brutto- und Nettoleistung von 25 MW ausgelegt.[3] Das lag daran, dass das Kernkraftwerk keinen eigenen Turbosatz bekommen hatte, sondern den Heißdampf über Dampfleitungen an den 25 MW-Turbosatz des Kraftwerks Dettingen weiterleitete. Der Eigenbedarf wurde aus dem öffentlichen Stromnetz gedeckt. Die thermische Leistung der Anlage lag bei 100 MW. Der Heißdampfreaktor sollte mit rund 500 °C arbeiten, bei einem Druck von 70 Atmosphären. Der Wirkungsgrad sollte bei rund 31 bis 40 % liegen, wobei die Anlagenkosten rund 15 % geringer ausfallen sollen, als bei den AEG-Siedewasserreaktoren.[1]

Daten des Reaktorblocks

Reaktorblock[3]
(Zum Ausklappen Block anklicken)
Reaktortyp Leistung Baubeginn Netzsyn-
chronisation
Kommer-
zieller Betrieb
Stilllegung
Typ Baulinie Netto Brutto

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i Wolfgang D. Müller: Auf der Suche nach dem Erfolg - Die sechziger Jahre - Geschichte der Kernenergie in der Bundesrepublik Deuschland Band II. In: Schäffer Poeschel, Stuttgart 1996 ISBN 3820210296
  2. Volker Wasgindt u.a.: Jahresbericht 2006. In: Kernenergie in Deutschland. 2005, ISSN 1611-9592
  3. a b Power Reactor Information System der IAEA: „Germany“ (englisch)
  4. Nuclear Engineering International: 2011 World Nuclear Industry Handbook, 2011.
  5. International Atomic Energy Agency: Operating Experience with Nuclear Power Stations in Member States. Abrufen.

Siehe auch

Icon NuclearPowerPlant-green.svg Portal Kernkraftwerk