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Kernkraftwerk Ignalina

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Kernkraftwerk Ignalina
Ignalina Nuclear Power Plant Lithuania two towers.JPG
Standort
Land Flag of Lithuania.svg Litauen
Distrikt Utena
Ort Visaginas
Koordinaten 55° 36′ 17″ N, 26° 33′ 46″ OTerra globe icon light.png 55° 36′ 17″ N, 26° 33′ 46″ O
Reaktordaten
Eigentümer Republik Litauen
Betreiber Kernkraftwerk Ignalina
Vertragsjahr 1974
Betriebsaufnahme 1983
Stilllegung 2009
Stillgelegt 2 (2600 MW)
Pläne storniert 1 (1500 MW)
Bau storniert 1 (1500 MW)
Einspeisung
Eingespeiste Energie seit 1983 241578 GWh
Zusatzfunktion Fernwärme
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Die Quellen für diese Angaben sind in der Zusatzinformation einsehbar.

Das Kernkraftwerk Ignalina (litauisch Ignalinos atominė elektrinė, kurz IAE, russisch Игналинская АЭС, kurz ИАЭС, deutsch IAES) steht nahe der litauischen Stadt Visaginas im Distrikt Utena am See Drūkšiai. Die 39 Kilometer von Ignalina entfernte Anlage war bislang das einzige Kernkraftwerk in Litauen und im baltischen Raum. Sie ist im Jahr 2009 stillgelegt worden und befindet sich seitdem im Rückbau. Neben der Anlage soll das Kernkraftwerk Visaginas entstehen.

Geschichte

Erste Planungen für ein Kernkraftwerk in Litauen gab es bereits Anfang der 1970er Jahre. Genau Aufzeichnungen darüber sind allerdings nicht bekannt, da alle Akten zur Planung des Kernkraftwerks in der Sowjetunion geheim gehalten wurden und es heute im Staatsarchiv in Moskau immer noch sind. Aufgrund dessen besitzt Litauen nur einen kleinen Teil der Daten. Dies ist darauf zurück zu führen, dass das Projekt in Ignalina einer der Großprojekte der Sowjetunion werden sollte.[1]

Am 16. September 1971 wurde im Ministerrat der UdSSR eine Resolution verabschiedet, die den Bau eines Kernkraftwerks im Nord-West Verbundnetz mit 2000 MW Leistung vorsah. Die erste Baustufe mit 1000 MW war für 1979 vorgesehen. Ab Oktober 1973 sollte das technische Projekt geplant werden. Allerdings war es in der Sowjetunion für sehr unrealistisch gehalten worden, dass man es schaffen würde, in der Zeit von 1973 bis 1979 ein Kernkraftwerk zu planen, da dafür in der Regel rund zehn Jahre benötigt wurden. Im Jahr 1971 wurden zwei Standorte für die Anlage ausgewählt. Ein Standort am See Snudy nahe der Stadt Braslaw in der weißrussischen sozialistischen Sowjetrepublik und am See Drūkšiai in der litauischen sozialistischen Sowjetrepublik. Die Wahl für den Standort wurde vom Ministerium für mittelschweren Maschinenbau festgelegt, dass das Kernkraftwerk später errichten sollte, und obwohl es eigentlich zur Rüstungsindustrie gehörte, koordinierte das Ministerium den Bau von mehreren Großkernkraftwerken in der Sowjetunion. Das Ministerium entschied sich letztlich für einen Standort am Südufer des See Drūkšiai, da am See Snudy die Anlage 25 Millionen Rubel mehr gekostet hätte, zudem sind die geologischen Gegebenheiten am See Snudy wesentlich schlechter, da dieses Gebiet erdbebengefährdet ist. Zu dieser Zeit waren allerdings die tektonischen Bruchlinien am See Drūkšiai noch nicht bekannt, weshalb man den Bau dort als unbedenklich einstufte.[1]

Neben der Standortwahl entschied man sich für Reaktoren des Typs RBMK, die in der Sowjetunion als Vorzeigetechnik dienten. Da 1971 eine 1500 MW-Version entwickelt wurde, hatte der Netzbetreiber das Projekt auf eine Gesamtleistung von 6000 MW erhöht, womit nunmehr vier Reaktoren errichtet werden sollten. Antanas Sniečkus, der erste Sekräter des Zentralkomitees der kommunistischen Partei der UdSSR, war allerdings nicht von der Sicherheit der Konstruktion überzeugt. Mikhail Pervukhin, Mitglied des staatlichen Planungskomitees, prüfte am 14. Juli 1972 die Pläne und stellte fest, dass die Sicherheit der Anlage mit einer Eins bewertet werden konnte. Darauf hin schickte Antanas Sniečkus und Juozas Maniūšis, Vorsitzender des Ministerrats der litauischen sozialistischen Sowjetrepublik, am 13. November 1972 einen Brief an das staatliche Planungskomitee, dass es keine Einwände gegen den Bau des Kernkraftwerk gäbe, allerdings mit der Bemerkung, dass das litauische Forschungsinstitut für Geologie gegen den Standort bedenken hat, ob dieser wirklich für den Bau einer kerntechnischen Anlage geeignet ist.[1]

Bau

Im Jahr 1973 begann man mit den ersten Bauarbeiten am Standort, die allerdings nur sehr schleppend voran gingen und nur einige Direktionsgebäude beinhalteten. Dieses bekam später die Bezeichnung "Postfach A-7109" für das erste RBMK-1500-Projekt, analog zum "Postfach B-2308" des Kernkraftwerks Leningrad als erstes RBMK-1000-Projekt. Im Jahr 1974 wurde mit der Präparierung des Standortes begonnen, wobei zwischen 1976 und 1977 keine weiteren Bauarbeiten am Standort vorgenommen wurden.[1] Mit dem Bau des ersten Reaktors wurde am ersten Mai 1977 begonnen, gefolgt vom zweiten Block am ersten Januar 1978.[2] Kurz darauf wurde die Postfachanschrift auf "A-1513" geändert. Unter der Parole "Lenin, die Macht der Partei und die Kraft des Volkes sichern den Sieg des Kommunismus" wurde die Anlage errichtet und sollte den technischen Fortschritt, als auch den Aufstieg der Sowjetunion in die Moderne demonstrieren, ein Großkernkraftwerk für eine Zukunft mit Energiesicherheit.[3]

Im März 1978 wurde mit den Erdarbeiten für Block 1 begonnen, die im September abgeschlossen wurden. Im April 1979 wurden die technischen Einrichtungen für den Block bestellt. Allerdings ging der Bau weiterhin sehr schleppend voran. Der Grund lag vor allem darin, dass viele Facharbeiter auf der Baustelle fehlten. Dafür wurde bereits am 28. Februar 1978 eine entsprechende Resolution verabschiedet, die die Schulung von Arbeitern vorsieht. Eine weitere Resolution, die geheim beschlossen worden war, sah vor, dass alle Bauten im Umkreis von zehn Kilometer um das Kernkraftwerk gestoppt werden müssen und die dortigen Facharbeiter am Bau des Kernkraftwerks teilnehmen mussten. Trotz allem kam der Bau kaum voran, weshalb das Ministerium für Energie und Elektrifizierung der UdSSR und besonders das Ministerium für mittelschweren Maschinenbau dafür verantwortlich gemacht wurden, dass sie den Bau des Kernkraftwerks aufschieben würden, und somit die geplante Inbetriebnahme im Jahr 1979 bereits um Jahre verschoben hätten.[1]

Verwaltungsgebäude mit Block eins im Hintergrund

Eine weitere Resolution sah nun vor, dass Energieprojekte der Sowjetunion, insbesondere Kernkraftwerke, nun schneller errichtet werden sollen, um bis 1993 eine installierte Kapazität von zirka 100.000 MW zu haben. Dadurch beschleunigte sich der Bau des Kernkraftwerk in Litauen, sodass man prognostizierte, dass die Blöcke 1 bis 3 in den Jahren 1983, 1986 und 1990 den Betrieb aufnehmen würden. Ende 1982 waren bereits das Reaktorgebäude von Block 1 vollständig fertiggestellt, die Kontrollinstrumente installiert und einer von zwei Turbogeneratoren installiert. Die Kosten lagen bisweilen bei 800 Millionen Rubel.[1] Kurz darauf gab allerdings der damalige Direktor der Anlage die Anweisung, das Dach der Reaktorhalle zu schließen. Durch das Dach wurden größere Einbauteile in die Anlage durch einen Kran befördert. Zu dieser Zeit fehlte allerdings noch ein Großteil des Equipments, das hätte eingebaut werden müssen. Man plante, dass rund 5000 Soldaten die Bauteile, die meisten zur Wartung von Rohrabschnitten, später hinein tragen sollten.[3] Am ersten Juni 1985 wurde schließlich mit dem Bau des dritten Reaktors begonnen.[4]

Nach der Katastrophe von Tschernobyl wurde eine geheime Resolution verabschiedet, die den Bau von nur noch zwei RBMK an den Standorten Smolensk (Block 3) und Ignalina (Block 3) vorsah, weshalb der vierte Block storniert wurde, noch bevor er errichtet wurde. Die Inbetriebnahme von Block 2 war für 1987 vorgesehen, Block 3 1989. Währenddessen führte man eine weitere Debatte an, die die Verschiebung des Bau von Block 3 um einige Jahre vorsah. Da nun dem Zentralkomitee des Minsterrats der UdSSR vorgeworfen wurde, den Standort nicht ausreichend geologisch überprüft zu haben, wurde beschlossen den Bau von Block 3 bis auf weiteres auszusetzen, bis die anstehenden Fragen dazu geklärt würden.[1] Am 30. August 1988 wurde offiziell beschlossen, den Bau von Block 3, aufgrund der fast unlösbaren Probleme des Reaktordesigns, zu stornieren.[1]

Betrieb

Am 31. Dezember 1983 nahm der erste Block letztlich den Betrieb auf.[2] Für die Inbetriebnahme wurden Medaillen und Orden verliehen, da es der leistungsstärkste Reaktorblock der Welt war. Der Reaktor ging allerdings mit zum Teil gravierenden Mängeln ans Netz. Unter anderem war ein Großteil der Kabel nur provisorisch verlegt worden und einige Räume haben keine Beleuchtung gehabt. Nach dem ehemaligen Direktor des Werks, Viktor Schewaldin, der bereits seit dem Bau der Anlage in Ignalina vor Ort war, habe dies keine Auswirkungen auf die Sicherheit der Anlage gehabt. Man führte die Kontrollen mit Taschenlampen durch.[3] Man versuchte außerdem zu vertuschen, dass die Anlage nach wenigen Tagen wieder vom Netz gehen musste, um einige Baumängel zu beseitigen. Kurz darauf erreichten diese Nachrichten die höchsten Regierungskreise im Moskauer Kreml, weshalb Michail Gorbatschow selbst 1987 eine Untersuchung anordnete, die erschreckende sicherheitstechnische Ergebnisse zutage brachte. Nach der Kontrolle der Komission, die von Gorbatschow 1987 nach Ignalina geschickt wurde, hatte man festgestellt, dass die Ausstattung des ersten Blocks nicht vollständig war. Rund 2200 Teile mit einem Wert von 55 Millionen Rubel wurden niemals in die Anlage eingebaut, weshalb es schwere Sicherheitsdefizite gab, die auch im Betrieb des Reaktors festegestellt werden konnten. Alleine zwischen 1984 und 1986 kam es 48 Mal zu Reaktorschnellabschaltungen, 67 Mal zu Leistungsreduktionen und zu zwölf Bränden. Im Jahr 1986 wurden rund 50 Leckagen, bei denen radioaktives Wasser ausgetreten ist, beseitigt.[1]

Erster Reaktorblock

Die Mängelliste wurde bis etwa Mai und Juni 1985 abgearbeitet, wobei sich einige Arbeiten bis in das Jahr 1987 zogen. Allerdings wurden die Arbeiten, wofür das Dach hätte geöffnet werden müssen, um beispielsweise Wartungskräne einzuheben, nicht durchgeführt. Der Zustand des ersten Reaktors konnte aufgrund dessen nicht oder nur teilweise festgestellt werden, weshalb der Zustand des ersten Blocks und dessen Rohre unbekannt ist. Bis zur Stilllegung war die Situation nicht feststellbar. Der erste Reaktor ist der einzige am Standort Ignalina, der mit Mängeln ans Netz ging.[3] Durch die Mängel gab es erhebliche wirtschaftliche Einbußen. Man erwartete eigentlich, dass die RBMK-1500 wesentlich wirtschaftlicher betrieben werden können als RBMK-1000. Trotzdem arbeitete bis 1986, inbesondere die Vorzeigeanlage in Tschernobyl, weitaus wirtschaftlicher als der Reaktor in Ignalina.[5]

Am 20. August 1985 nahm der zweite Reaktor den Betrieb auf und ging noch am selben Tag in die kommerzielle Stromproduktion über.[2] Zusammen mit Block 1 war Ignalina zwei zur Inbetriebnahme ebenfalls der leistungsstärkste Reaktorblock der Welt.[3]

Zerfall der Sowjetunion

Durch den Zerfall der Sowjetunion kam die Anlage in litauische Hand. An sich hat das Land keinerlei Erfahrung mit dem Betrieb von Kernkraftwerken, da es in der Sowjetunion so üblich war, dass die Verwaltung eine einzige Behörde übernahm, in diesem Fall das Ministerium für Energie und Elektrifizierung, beziehungsweise das Ministerium für Kernenergie der Sowjetunion. Gewartet wurden die Anlagen vom Ministerium für mittelschweren Maschinenbau. Aufgrund dessen startete 1992 eine Kooperation mit anderen Ländern, besonders mit Schweden, die dem Kernkraftwerk und der litauischen Regierung in Sicherheitsfragen weiterhalfen. Bereits 1991 begann das Barselina-Projekt, bei dem Schweden, Russland und Litauen beteiligt sind. Diese führten im Rahmen dessen erstmals eine Sicherheitsprüfung nach westlichen Standards in einem osteuropäischen Kernkraftwerk durch. Dafür wurden 8,5 Millionen ECU von der Osteuropabank zur Verfügung gestellt.[3]

Aus diesen Untersuchungen wurde 1996 der Safety Analysis Report erstellt, in insgesamt 25 Bänden. Dieser wurde von der Reviewgruppe, einer Expertengruppe von Unternehmen, bestehend aus AEA Technology, der National Environmental Protection Agency, das litauische Energieinstitut, RISKAUDIT, der Gesellschaft für Reaktorsicherheit, das französische Nuklear Sicherheitsinstitut, RRCKI und Scientech, bewertet und Empfehlungen zur Verbesserung der Sicherheit vorgeschlagen. Diese wurden 1997 angenommen und bereits ab 1998 realisiert. Dadurch sollte die Betriebsdauer der Reaktoren verbessert werden und über 2014 bis 2018 gesichert werden.[3]

Terroristische Drohungen

Verwaltungsbau mit Reaktoren im Hintergrund

Am 11. November 1994 alarmierten schwedische und deutsche Behörden die litauische Regierung, dass es zwei verschiedene Informationen gebe, die auf einen Terroranschlag auf das Kernkraftwerk bei Ignalina hinweisen. Nucleonics Week berichtete bereits am 4. November, dass ein Litauer einen Brief an den schwedischen Premierminister schrieb, dass er das Kernkraftwerk Ignalina sprengen würde, wenn er nicht acht Millionen schwedische Kronen (rund eine millionen Dollar) ausgezahlt bekäme. Am 7. November konnte der Mann in Schweden festgenommen werden, als er den Brief mit dem Minister diskutieren wollte. Man fand von ihm im Verhör heraus, dass er einer Gruppe mit dem Namen NUC-41 W angehöre, die Mitglieder im Kernkraftwerk Ignalina hatte und bei dem Diebstahl eines Brennelements im Jahr 1993 beteiligt waren. Man fand später heraus, dass die Person Kestutis Mazuika sei und eine Begnadigung bekommen wollte, die ihm nicht gewährt wurde.[6]

Die zweite Information bezüglich eines terroristischen Anschlags stammt vom deutschen Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, bei denen festgestellt wurde, dass am 15. November ein Anschlag auf die Anlage stattfinden sollte. Georgij Dekanidze, Vater von Boris Dekanidze, ein Mafiaboss der zum Tode verurteilt wurde, hielt am 15. November eine Ansprache im litauischen Staatsfernsehen bei der er drohte, einen Anschlag auf das Kernkraftwerk Ignalina zu verüben. Der litauische Premierminister ordnete darauf hin die sofortige Abschaltung beider Reaktoren an und stellte eine Anti-Terrorismus-Gruppe zusammen, bestehend aus vier schwedischen Spezialisten und drei litauischen Einzelpersonen der litauischen Aufsichtsbehörde. Kurze Zeit darauf wurde allerdings bekannt gegeben, dass es keinerlei Hinweise auf eine Sabotage im Block 1 gab, oder sich eine Bombe auf dem Gelände befindet. Der Block ging am 11. November aus der Revision wieder in den Betrieb. Man wollte beide Reaktoren frühstens wieder am 25. November am Netz haben. Den Ausfall von Ignalina aufgrund der Anschlagsdrohung wurde zwischenzeitlich durch das Gaskraftwerk in Elektrnai kompensiert, sowie Stromimporte aus Weißrussland, Estland und Russland. Da am 16. November immer noch keine Hinweise gefunden wurden und definitiv bestätigt wurde, dass sich keine Bombe auf dem Gelände befand, wurden der zweite Block noch am selben Tag wieder auf 750 MW angefahren und erreichte am 17. November wieder die Nennleistung von 1300 MW.[6]

Also Folge der Zwischenfälle beliefen sich die Kosten für die kurzfristige Abschaltung aufgrund der Drohung auf rund 10 Millionen Dollar. Als Konsequenz bemühte man sich, die Sicherheitseinrichtungen auf dem Gelände zu erweitern und verbessern. Unter anderem kündigte Wiktor Schewaldin an, den Standard der Anlage zusammen mit Schweden zu verbessern, sowie die Überwachungstechnik mit neuen Instrumenten zu erweitern, unter anderem mit dem Einsatz von Infrarot-Ferngläsern.[6]

Stillegung

Informationen zur Stillegung

Im Rahmen des EU-Beitritts musste Litauen zustimmen, das Kernkraftwerk Ignalina endgültig vom Netz zu nehmen, beginnend mit Block 1 bis 1. Januar 2005 und Block 2 bis 31. Dezember 2009. Dabei stellt die europäische Union die entsprechenden Finanzmittel zur Verfügung und um die Folgen zu bewältigen. Dies geschieht im Rahmen des so genannten Ignalina-Programm. Unter anderem soll mit dem Programm Ersatzkapazitäten für das Kernkraftwerk geschaffen werden, unter anderem mit der Modernisierung von konventionellen Kraftwerken, von denen Litauen nur eines in Elektrnai besitzt.[7]

Die Kosten für die Abschaltung des ersten Blocks wurden im Jahr 2000 auf rund 435 Millionen deutsche Mark (217,5 Millionen Euro) geschätzt. Davon sollte die europäische Union 300 Millionen Mark (150 Millionen Euro) übernehmen. Deutschland steuert 40 Millionen Mark (20 Millionen Euro) bei. Der Rest sollte vom Betreiber übernommen werden. Im Jahr 2000 wurde die Stillegung durch ein Gesetzt in Litauen beschlossen.[8]

Bereits vor der Schließung warnte der Direktor des Kernkraftwerks, Wiktor Schewaldin, vor den ökologischen Folgen für die Tierwelt. Da der See im Winter nicht gefriert, was durch die warmen Abwässer des Kernkraftwerks verursacht wird, haben sich die Schwäne und Vögel daran gewöhnt, im Winter nicht wegzufliegen. Zudem provozierte die Abschaltung zwei neue Kernkraftwerksprojekte nahe der litauischen Grenze in Weißrussland und Kaliningrad.[9] Der erste Reaktor ging nach Plan am 31. Dezember 2004 vom Netz. Das Abfahren des Rektors begann um 14 Uhr und war nach zehn Stunden mit dem kompletten Stillstand beendet worden.[10] Block 2 folgte am 31. Dezember 2009.[2] Zu einer Zeremonie in der Nacht zu Neujahr hatten die kommunalen Behörden geladen, um einige hunderte Lampions in den Himmel steigen zu lassen. Laut dem Energieminister kostet der Rückbau rund 2,32 Milliarden Euro.[11]

Am 27. Februar 2010 gab es eine Großdemonstration in der näheren Umgebung um das Kernkraftwerk in Visaginas. Bürger protestierten gegen die explodierten Strom- und Heizkosten. Die Preise für Elektrizität sind um rund ein Drittel gestiegen. Für die großen Heizkosten werden ineffiziente Heizwerke verantwortlich gemacht, die nach der Abschaltung des Kernkraftwerks die Heizlasten übernehmen mussten.[12] Ein Ersatzkraftwerk für Ignalina, das Kernkraftwerk Visaginas, das mit den drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sowie Polen errichtet werden soll, wird frühstens 2018 oder 2020 ans Netz gehen.

Betriebsergebnisse

Beide Reaktoren konnten einzeln maximal 13,14 Milliarden Kilowattstunden brutto bei 1500 MW erzeugen. Durch die Leistungsminderung sind es jedoch nur noch 11,38 Milliarden Kilowattstunden brutto bei 1300 MW Leistung gewesen. Der Betrieb in Ignalina war häufig durch Schnellabschaltungen gezeichnet, insbesondere im ersten Reaktorblock.[3] Aufgrund dessen produzierte der erste Reaktor bis zu seiner Abschaltung nur rund 86385,164 GWh Elektrizität. Das schlechteste Ergebnis erreichte der Block im Jahr 2000 mit einer Produktion von rund 3543,95 GWh. Im Jahr 2004, das letzte Betriebsjahr des Reaktors, lag die Produktion bei 9214,108 GWh, was das beste Ergebnis des Reaktors darstellt. Block 2 hatte mit einer produzierten Energiemenge von 155193 GWh wesentlich mehr produziert als der erste Block. Das schlechteste Ergebnis wurde im Jahr 1993 erreicht, mit nur 3167,369 GWh. Das beste Ergebnis erreichte der Reaktor im Jahr 2009 mit einer produzierten Energiemenge von 10025,34 GWh. Zusammen produzierten beide Reaktoren insgesamt 241578 GWh an Energie.[2]

Technische Details

Da die Reaktoren in Ignalina das letzte RBMK-Projekt waren, das realisiert wurde, sind die Konstruktionen am vollkommensten ausgelegt, wobei ein Großteil der Fehler der ersten und zweiten Generationen beseitigt wurden. Ignalina hat im Vergleich zu den vorherigen Versionen einen zusätzlichen Reaktorschutz, sowie weitere Sicherheitssysteme, unter anderem Erdbebensensoren.[3] Die beiden RBMK-1500 in Ignalina haben eine thermische Leistung von 4800 MW, wobei diese auf 4200 MW beschränkt wurde. Die maximale elektrische Leistung liegt bei 1500 MW,[1] wobei nur noch rund 1300 MW aufgrund der gesenkten thermischen Leistung erreicht werden.[2]

Ein Grund für die gesenkte thermische Leistung sind unter anderem die Dampfüberhitzer vom Typ SPP-750, von denen es acht Stück in jedem Block gibt. Diese sind teilweise Kopien von einem französischen Dampfüberhitzer. Diese dienen dazu, dass dem Dampf nach dem Durchschreiten der Hochdruckturbine noch einmal das Wasser entzogen wird und dadurch überhitzt wird. Aufgrund eines Baufehlers lassen sich diese nicht austauschen und nicht ordnungsgemäß warten. In anderen RBMK-1000-Anlagen werden diese alle zwei bis drei Jahre ausgetauscht und geprüft. Da diese nur im installierten Zustand gewartet werden können, ist ein Großteil der unten im Dampferzeuger liegenden Einrichtungen höchstwahrscheinlich zerstört. Da man diese nicht eindeutig prüfen kann, ist der Zustand unbekannt. Lediglich der obere Teil ist nach Demontage einer Dampfleitung instandhaltbar. Die Konstruktion der Dampfüberhitzer wurde für Ignalina neu ausgelegt, weshalb dieser Konstruktionsfehler entstand. Aufgrund des Wartungsmangels gab große Probleme mit dem Wassergehalt des Dampfes. Dieser bringt die Turbinen zum Vibrieren, da diese nicht mehr rund laufen. Man fürchtete, dass sich dieses Problem auf die Generatordichtungen ausweiten könnte und diese schmelzen. Weil der Generator mit Wasserstoff gekühlt wurde, hätte dieser in die Turbinenhalle austreten können. Selbst wenn die Turbinen in diesem Stadium abgeschaltet worden wären, liefen sie noch zweineinhalb Minuten nach, was auf die Masseträgheit zurück zu führen ist. Man vermutete, dass dieses Szenario wohl zu einem Großbrand geführt hätte, da bei einer Wasserstoffexplosion die Öltanks in der Turbinenhalle wohl beschädigt worden wären.[3]

Daten der Reaktorblöcke

Das Kernkraftwerk Ignalina sollte ursprünglich aus vier Reaktoren bestehen.[1] Zwei Reaktoren beendeten ihren Betrieb 2004 und 2009,[2] zwei weitere Reaktoren blieben unvollendet.[1]

Reaktorblock[2]
(Zum Ausklappen Block anklicken)
Reaktortyp Leistung Baubeginn Netzsyn-
chronisation
Kommer-
zieller Betrieb
Stilllegung
Typ Baulinie Netto Brutto

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i j k l VATESI: Lithuanias Nuclear Past: a historical survey (englisch)
  2. a b c d e f g h Power Reactor Information System der IAEA: „Lithuania, Republic of“ (englisch)
  3. a b c d e f g h i j RUSSISCH ROULETTE - Das Atomkraftwerk Ignalina. Film von: Jørgen Pedersen und Bente Milton. Ausstrahlung: 1999 in der Sendung "Prisma" des norddeutschen Rundfunk
  4. a b Power Reactor Information System der IAEA: „Nuclear Power Reactor Details - IGNALINA-3“]
  5. Zhores Medwedjew: Das Vermächtnis von Tschernobyl. In: Daedaluis Verlag Joachim Herbst, 1991, Münster ISBN 389126030X
  6. a b c Nuclear Threat Initiative - Lithuania: Ignalina NPP Developments 1989 - 1996 (englisch)
  7. Amtsblatt der Europäische Union: Protokoll betreffend den Vertrag und die Akte über den Beitritt der Republik Litauen. In: C 310/297, 16. Dezember 2004
  8. Seite 184, Abschnitt Litauen im Buch: Die Welt - Großer Atlas der Erde mit aktuellem Länderlexikon - von Otto A. Fischer, Hamburg, Layout: Beate Pfeifle, Reinbek - Naumann & Göbel Verlagsgesellschaft mbH in der VEMAG - ISBN 3-625-10558-6
  9. REGNUM: Генеральный директор Игналинской АЭС: РФ быстрее построит свои станции, чем Литва am 27.01.2009 (russisch)
  10. Christiane Bauermeister: Litauen. In: DuMont Reise-Taschenbücher. DuMont Reiseverlag, 2007. ISBN 3770172019
  11. RIA Novosti: Panorama: Litauer nehmen in Silvesternacht Abschied vom AKW Ignalina am 31. Dezember 2009
  12. Euronews: Arme Litauer trauern Kernkraftwerk Ignalina nach am 27. Februar 2010
  13. a b c d Nuclear Engineering International: 2011 World Nuclear Industry Handbook, 2011.
  14. a b c d International Atomic Energy Agency: Operating Experience with Nuclear Power Stations in Member States. Abrufen.

Siehe auch

Icon NuclearPowerPlant-green.svg Portal Kernkraftwerk