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Strahlendosis

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Italienische Feuerwehrleute in NBC-Schutzanzügen bei der Übung Clever Sentinel, 2004

Die Strahlendosis, anzugeben in Sievert [Sv] und früher in roentgen equivalent in man [rem], ist ein Maß für eine näher anzugebende Strahlenwirkung. Je nachdem um welche Art von radioaktiver Strahlung es sich handelt, und wie diese vom Körper aufgenommen wird, muss diese unterschiedlich bewertet werden. Die Strahlendosis dient dazu, die gesundheitliche Belastung durch radioaktive Strahlung zu vereinheitlichen. Einem Krebsrisiko von X Prozent kann so eine bestimmten Energiedosis (z.B. durch Röntgen), oder eine Menge Radionuklide in einem Organ (z.B. bei Radiojodtherapie), oder ein Aufenthalt für eine bestimmte Zeit in kontaminierter Umgebung (z.B. in Fukushima-Daiichi) zugeordnet werden. Die Einheit Sievert ist also ein Kunstgriff, sie kann nicht gemessen, sondern nur errechnet werden. Die Berechnungsgrundlagen der Strahlendosis werden von der Internationalen Strahlenschutzkommission (International Commission on Radiological Protection, ICRP) festgelegt, und in unregelmäßigen Abständen dem Stand des Wissens angepasst. Die gesundheitlichen Auswirkungen, welche eine bestimmte Strahlendosis verursacht, werden als Strahlenrisiko bezeichnet.

Dosisarten

Äquivalentdosis

Mit der Energiedosis in Gray [Gy] allein kann die biologische Strahlenwirkung nicht beurteilt werden. Es zeigte sich nämlich, dass bei gleichen Energiedosen, aber unterschiedlichen Strahlenarten, die hervorgerufenen Effekte unterschiedlich sein können. Wird beispielsweise von zwei Zellkulturen eine mit Alphastrahlen, und eine andere mit Betastrahlen bestrahlt, und nehmen beide eine gleich hohe Energiedosis auf, so sind die durch die Alphastrahlen hervorgerufenen biologischen Strahlenwirkungen etwa 20-mal größer.[1] Zur Berücksichtigung der unterschiedlichen biologischen Wirkung der verschiedenen Strahlenarten führte die Internationale Strahlenschutzkommission (ICRP) 1978 die Äquivalentdosis (engl.: equivalent dose) ein:[2]

Wobei D die Energiedosis in Gray [Gy], N ein modifizierender Faktor [-], Q der Qualitätsfaktor [-] und H die Äquivalentdosis in Sievert [Sv] ist. In der Praxis wurde dem modifizierenden Faktor jedoch immer der Wert N=1 zugewiesen, weshalb schließlich auf ihn verzichtet wurde. Die Qualitätsfaktoren der verschiedenen Strahlungsarten sind in der Tabelle unten aufgeführt, wie diese zuletzt 1991 verwendet wurden. Der lineare Energietransfer L beschreibt die abgegebene Energie des Teilchens in das Gewebe pro Flugstrecke in keV/µm.[3] Die Äquivalentdosis wurde nach 1991 vom ICRP durch die Organdosis ersetzt. Im Englischen wird die moderne Organdosis manchmal auch als Äquivalentdosis bezeichnet, z.B. in der englischsprachigen Wikipedia.

Strahlungsart Betastrahlung, Photonen Alphastrahlung, Protonen, Neutronen
Linearer Energietransfer L < 3,5 3,5 - 7,0 7 - 23 23 - 53 > 53
Qualitätsfaktor Q 1 1 - 2 2 - 5 5 - 10 10 - 20

Organdosis

Da sich die Äquivalentdosis als unzureichend entpuppte, wurde ab 1992 von der Internationalen Strahlenschutzkommission die Organdosis (engl.: organ dose) eingeführt. Hier wird die Energiedosis D mit Strahlungswichtungsfaktoren multipliziert, um eine Strahlenwirkung in Sievert zu berechnen. Wenn die Strahlung aus unterschiedlichen Strahlenarten und -energien mit unterschiedlichen Werten für wR besteht, dann werden die einzelnen Beiträge addiert. Für die Organdosis HT gilt dann:

Wobei wR der dimensionslose Strahlungswichtungsfaktor [-], D die Energiedosis in Gray [Gy] und H die Organdosis in Sievert [Sv] ist. Die neusten von der ICRP in der Publikation 103 von 2007 festgelegten Strahlungswichtungsfaktoren sind in der Tabelle unten dargestellt.[4] Mit der Neuauflage 2007 (ICRP 103) wurden die Strahlungswichtungsfaktoren für Neutronen neu modelliert, und ein neuer Faktor für geladene Pionen ergänzt. Der Rest blieb unverändert.[5] Eine Energiedosis von 0,05 Gy Alphastrahlen entspricht also etwa 1 Gy Gamma- oder Röntgenstrahlen, in beiden Fällen beträgt die Organdosis 1 Sv.

Strahlungsart Gamma-, Röntgen- und Bremsstrahlung,
Elektronen, Positronen, Myonen, Photonen
Neutronen Protonen, geladene Pionen Alphastrahlung, Spaltfragmente,
schwere Atomkerne, Rückstoßkerne
E < 1 MeV 1 MeV < E < 50 MeV E > 50 MeV
Strahlungswichtungsfaktor wR 1 2,5 + 18,2e-[ln(E)]²/6 5 + 17e-[ln(2E)]²/6 2,5 + 3,25e-[ln(0,04E)]²/6 2 20

Effektive Dosis

Da die Strahlenempfindlichkeit einzelner Organe oder Gewebe Unterschiede aufweist, liefern die jeweiligen Organdosen unterschiedliche Beiträge zum strahlenbedingten Gesamtrisiko, also der Wahrscheinlichkeit an Krebs oder Leukämie zu erkranken. Die Internationale Strahlenschutzkommission (ICRP) legte deshalb Gewebewichtungsfaktoren fest, mit deren Hilfe die effektive Dosis wie folgt berechnet werden kann:[5]

Dabei ist H die Organdosis in Sievert [Sv], wT der dimensionslose Gewebewichtungsfaktor [-] und E die effektive Dosis in Sievert [Sv]. Zur Berechnung der gesamten effektiven Dosis werden die Organdosen H mit den Gewebewichtungsfaktoren der Organe multipliziert und die Ergebnisse addiert.[6] Die Summe aller Gewebewichtungsfaktoren ergibt definitionsgemäß 1. Die folgende Tabelle zeigt die Vorschläge der ICRP, die 1991 (ICRP 60) und 2007 (ICRP 103) veröffentlicht wurden:[5][7]

Keimdrüsen Knochenmark Dickdarm Lunge Magen Blase Brust Leber Speiseröhre Schilddrüse Haut Knochenoberfl. Speicheldrüse Gehirn Rest
ICRP 60 0,2 0,12 0,12 0,12 0,12 0,05 0,05 0,05 0,05 0,05 0,01 0,01 - - 0,05
ICRP 103 0,08 0,12 0,12 0,12 0,12 0,04 0,12 0,04 0,04 0,04 0,01 0,01 0,01 0,01 0,12

Folgedosis

Aktivität über Folgedosis für ausgewählte Nuklide (zum Vergrößern auf das Bild klicken)

Die Bestrahlung von inneren Organen wie Schilddrüse, Knochenmark oder Lunge kann auch durch Radionuklide erfolgen, welche in den Körper gelangen. Die aufgenommene effektive Dosis hängt hier nicht nur von der Energiedosis des Nuklids ab, sondern auch von den Strahlungswichtungsfaktoren der ausgesendeten Teilchen, seinen Zerfallsprodukten, der biologischen Halbwertszeit der Stoffe und wo sie im Körper gespeichert werden. Aus diesem Grund wurden von der Internationalen Strahlenschutzkommission (ICRP) die Dosisfaktoren eingeführt, welche die effektive Dosis in Abhängigkeit von der Aktivität eines Stoffes in Sievert pro Becquerel angeben. Damit kann die Aktivität eines radioaktiven Stoffes in direkten Zusammenhang mit seiner (statistischen) biologischen Wirkung gesetzt werden. Die Ermittlung dieser Dosisfaktoren erfolgt entweder im Selbstversuch, an Freiwilligen, durch die Auswertung der Gesundheitsfolgen von Nuklearunfällen oder durch Computersimulationen. Computersimulationen sind nur dann sinnvoll, wenn die Verteilung der Stoffe im Körper, ihre biologische Halbwertszeit sowie die Einlagerungsorte im Körper (z.B. Kochenmark) bekannt sind. Durch die oben genannten Gewebewichtungsfaktoren kann dann die effektive Folgedosis errechnet werden.[8] Als letzte Möglichkeit verbleibt nur der Tierversuch, um zumindest die Größenordung abschätzen zu können. Die effektive Folgedosis wird dabei für Erwachsene als 50-Jahres-Folgedosis berechnet, also als Dosis, welche in einem Zeitraum von 50 Jahren aufgenommen wird. Bei Kindern wird analog von einer 70-Jahres-Folgedosis ausgegangen:[6][9]

Dabei ist E die effektive Folgedosis für den Körper in Sievert [Sv], gE der Dosisfaktor (auch Dosiskoeffizient genannt) in Sievert pro Becquerel [Sv/Bq], und Ah die Aktivität der Nuklidmenge in Becquerel [Bq]. Analog dazu kann auch eine Organ-Folgedosis berechnet werden, welche nur die Strahlendosis des Organs erfasst:[9]

Dabei ist HT die Organ-Folgedosis für das Organ in Sievert [Sv], gT der Dosisfaktor (auch Dosiskoeffizient genannt) für das Organ in Sievert pro Becquerel [Sv/Bq], und Ah die Aktivität der Nuklidmenge in Becquerel [Bq].[9] Die Dosisfaktoren können aus Tabellen abgelesen werden, wo alle radioaktiven Stoffe aufgeführt sind. Bei manchen Stoffen wie 238U wird auch zwischen Partikelgrößen und Art der Aufnahme in den Körper (Inhalation / Ingestion) unterschieden. Bei der Ingestion spricht man von einer fraktionierten Absorption und definiert diese durch einen Faktor (f1-Faktor), der die Verhältniszahl zwischen zugeführter und über den Verdauungstrakt aufgenommener Aktivität ausdrückt. Bei einer vollständigen (100%) Absorption hat der f1-Faktor den Wert 1. Ein f1-Faktor von 0,3 bedeutet, dass nur 30% der zugeführten Aktivität inkorporiert werden. Der f1-Faktor ist in den Dosiskoeffizienten für die Ingestion bereits nuklidspezifisch berücksichtigt.

Personendosis

Die Strahlenschutzverordnung fordert zur Ermittlung der Körperdosis (Effektive Dosis bzw. Organdosis, plus Folgedosis) die Messung der Personendosis. Die Personendosis wird durch die Messung der Tiefen-Personendosis und der Oberflächen-Personendosis an einer für die Strahlenexposition repräsentativen Stelle der Körperoberfläche bestimmt. Die Tiefen-Personendosis ist bei einer Ganzkörperexposition mit durchdringender Strahlung ein Schätzwert für die effektive Dosis und die Organdosen tiefliegender Organe. Die Oberflächen-Personendosis ist ein Schätzwert für die Hautdosis. Die Tiefen-Personendosis ist dabei die Äquivalentdosis in 10 mm Tiefe im Körper an der Tragestelle des Personendosimeters, während die Oberflächen-Personendosis die Äquivalentdosis in 0,07 mm Tiefe im Körper an der Tragestelle des Personendosimeters ist.[10]

Dosisleistung

Dosisleistung über Bodenkontamination für ausgewählte Radionuklide (zum Vergrößern auf das Bild klicken)

Die in einer bestimmten Zeitspanne erhaltene Strahlendosis bezeichnet man als Dosisleistung; die Angabe erfolgt üblicherweise in Millisievert oder Mikrosievert pro Stunde (mSv/h oder μSv/h).[11] In Frage kommt hier die Submersion (Aufenthalt neben einem Volumen mit radioaktiven Stoffen), die Immersion (Aufenthalt in einem Volumen mit radioaktiven Stoffen) und die Bodenkontamination (Aufenthalt auf radioaktiven Stoffen). Die Berechnung der Dosisleistung ist dabei wie folgt:

Dabei ist H-Punkt die Dosisleistung in Sievert pro Sekunde [Sv/s], a die Aktivitätskonzentration in Becquerel pro Kubik- bzw. Quadratmeter [Bq/m³] bzw. [Bq/m²], und g der Dosisleistungskoeffizient in Sievert pro Sekunde durch Becquerel pro Kubik- bzw. Quadratmeter [(Sv/s)/(Bq/m³)] bzw. [(Sv/s)/(Bq/m²)]. aV beschreibt dabei die volumenbezogene Aktivitätskonzentration, und aF die flächenbezogene Aktivitätskonzentration. Die Indices S, I und B des Dosisleistungskoeffizienten g stehen für Submersion, Immersion und Bodenkontamination. In der Luft ist der Dosisleistungskoeffizient für die Immersion etwa doppelt so groß wie für Submersion.[9] Die Dosisleistungskoeffizienten für Submersion, Immersion und Bodenkontamination werden von der Internationalen Strahlenschutzkommission (ICRP) bereitgestellt, und können aus Tabellen abgelesen werden.

Die Ortsdosisleistung über Bodenkontamination für ausgewählte Radionuklide kann in der Grafik rechts abgelesen werden. Dabei gilt als Faustformel, das bei einer Bodenkontamination von 1 kBq/m² mit Beta- und Gammastrahlern eine Strahlendosis von 10 nSv/h nicht überschritten wird. Die Abhängigkeit ist linear, dh bei 1 µSv/h würden 100 kBq/m² nicht überschritten.

Beispiele

Der Vorteil des Konzeptes der Strahlendosis wird deutlich, wenn man folgende Überlegung anstellt: Gemäß der LNT-Hypothese steigt das Krebsrisiko linear um 5% pro Sievert an. Um das individuelle Krebsrisiko also um 1,25% steigen zu lassen, muss eine Strahlendosis von 250 mSv aufgenommen werden. Dies kann auf folgende Art geschehen:

  • Röntgen des Körpers mit 250 mGy, da HT = wR × D = 1 × 250 mGy = 250 mSv
  • Injektion von 6,25 Sievert 131I in die Schilddrüse, da E = wT × H = 0,04 × 6250 mSv = 250 mSv
  • Ingestion von 260,4 kBq 239Pu, da E = gE × Ah = 9,6 × 10-7 Sv/Bq × 260.417 Bq = 250 mSv
  • 6 Tage in einem Gebiet, welches mit 0,91 TBq/m² mit 137Cs kontaminiert ist, da H = 518.400 s × 5,3 × 10-16 (Sv/s)/(Bq/m²) × 910.000.000 Bq/m² = 250 mSv

Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass die Strahlendosen im staatlichen Strahlenschutz und in der deutschsprachigen Presse keine Rolle spielen: So liegt der gesetzliche Höchstwert von Strontium-90 in Japan bei 30 Becquerel pro Liter. Wird die Faustformel 100 Bq → max. 3 µSv angewand, würde man selbst nach dem Trinken von 10.000 Litern mit 100 Bq/l „verseuchtem“ Wasser 10.000 × 100/100 × 3 µSv = 30 mSv zu sich nehmen. Da man täglich 2–3 Liter Wasser zu sich nehmen sollte, müsste man 9–14 Jahre lang täglich „verseuchtes“ Wasser trinken, dass den Grenzwert um mehr als das Dreifache überschreitet. Ein Strahlenrisiko ist bei dieser Dosis nicht existent. In der Praxis dienen die staatlichen Grenzwerte deshalb nur als Arbeits- und Panikbeschaffungsmaßnahme.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Richard Bauer, JLU Gießen: Strahlentherapie
  2. R.H. Clarke, J.Valentin: The History of ICRP and the Evolution of its Policies, ICRP 109, Oktober 2008
  3. Hanno Krieger: Grundlagen der Strahlungsphysik und des Strahlenschutzes. B. G. Teubner, Wiesbaden 2004, ISBN 3-519-00487-9
  4. Dosimetrische Größen, Gewebe- und Strahlungswichtungsfaktoren
  5. a b c ICRP: Die Empfehlungen der Internationalen Strahlenschutzkommission (ICRP) von 2007 / ICRP-Veröffentlichung 103, März 2007
  6. a b kernfragen.de – Radioaktivität und Strahlenschutz
  7. ICRP: Annals of the ICRP: ICRP Publication 60 – 1990 Recommendations of the International Commission on Radiological Protection, Pergamon Press, Oxford 1991, ISBN 0-08-042275-6
  8. R. B. Richardson and J. Debeau: Monte Carlo simulation of trabecular bone remodelling and absorbed dose coefficients for tritium and 14C Radiat Prot Dosimetry (2007) 127(1-4): 158-162 first published online July 24, 2007
  9. a b c d Hans-Gerrit Vogt, Heinrich Schultz: Grundzüge des praktischen Strahlenschutzes, Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, 2007, ISBN 3446409785
  10. Kernfragen: Dosis
  11. Kernenergie: Radioaktivität und Strahlung