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Kernkraftwerk Berlin

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Kernkraftwerk Berlin
Standort
Land Flag of Germany.svg Deutschland
Bundesland Berlin
Ort Westberlin
Koordinaten 52° 24′ 15″ N, 13° 7′ 28″ OTerra globe icon light.png 52° 24′ 15″ N, 13° 7′ 28″ O
Reaktordaten
Eigentümer BEWAG
Betreiber BEWAG
Planungen storniert 1962
Pläne storniert 1 (150 MW)
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Die Quellen für diese Angaben sind in der Zusatzinformation einsehbar.

Das Kernkraftwerk Berlin war mehrfach zwischen 1958 und 1974 als Projekt für Westberlin zur Debatte gestanden. Der Bau der Anlage wurde jedoch nie begonnen. Die Anlage ist nicht zu verwechseln mit dem von der DDR einst geplanten Kernheizwerk Berlin, das Fernwärme für Ostberlin liefern sollte.

Geschichte

Bereits in den 1950er Jahren interessierte sich die Berliner Städtische Elektrizitätswerke Akt.-Ges. (kurz BEWAG) die Kernenergie auch für den Kraftwerksbereich zu nutzen. Bereits 1956 gab es eine Arbeitsgruppe, die infolge der Blockade von Westberlin zwischen 1948 und 1949 nach Lösungen für den Energiesektor suchte. Seitens der USA wurde angeboten ein 2,6 MW starkes Heizkraftwerk nahe dem Flugplatz Tempelhof zu errichten für fünf Millionen DM. Die BEWAG erörterte allerdings bereits zu diesem Zeitpunkt eher den Bau eines kleinen Kernkraftwerks mit 4,2 MW in Berlin, allerdings frühstens ab 1960, bis das gegenwärtige Kraftwerksbauprogramm mit vier 50 MW starken konventionellen Blöcken abgeschlossen war. Der Hintergedanke war, dass der Reaktor wenn dann im Besitz der USA gewesen wäre und daher keine direkte feindliche Gefahr seitens der sowjetischen Besatzungsmacht vorhanden war, sowie die Anlage sowieso unwirtschaftlich gewesen wäre. Man versprach sich dennoch darauf Erfahrungen für ein großes Kernkraftwerk zu sammeln.[1][2]

Am 28. Dezember 1958 empfahl im Rahmen dessen der Sicherheitsberater des US-Präsidenten, Robert Cutler, den Bau eines Kernkraftwerks in Berlin. Er fand diese Idee „absolutely electrifying“ insbesondere hinter einem ideologischen Aspekt, da Westberlin als Enklave der Bundesrepublik Deutschland insbesondere nach der Blockade von 1948 bis 1949 den Sowjets ein Dorn im Auge war. Vorgeschlagen wurde eine Finanzierung des Kernkraftwerks von der US-Regierung, privaten US-Firmen und der Bundesrepublik Deutschland. Tatsächlich war die Idee nicht ganz neu, denn bereits einige Zeit vorher, auch im Jahr 1958, reichte Siemens zusammen mit Westinghouse ein Angebot für einen Druckwasserreaktor an die BEWAG weiter.[3] Die BEWAG unterstrich zu ihrem 75-jährigen Bestehen zwischen dem 8. und 15. Mai 1959 öffentlich noch mal bekundet, dass man Interesse an einem Kernkraftwerk für Westberlin habe. Bis zu diesem Zeitpunkt behandelte man insbesondere Fragen im Bezug auf die Sicherheit, den Reaktortyp und den Standort der Anlage.[4] Auch der Oberbürgermeister Willy Brandt unterstützte aktiv den Bau eines Kernkraftwerks für Westberlin.[5]

1959 stellte die BEWAG einen Antrag auf EURATOM-Förderung für den Bau der Anlage, deren Bewerbung bis zum 20. Oktober 1959 eingereicht werden mussten. Zu diesem Zeitpunkt konnte man allerdings keine Einzelheiten zu der Förderung geben, da das Standortproblem und die Zustimmung der Siegermächte noch fehlte.[6] Am 1. April 1961[7] beauftragte die BEWAG die Siemens-Schuckertwerke zusammen mit Westinghouse und Kaiser Engineerings zur Projektierung eines 150 MW starken Druckwasserreaktors, dessen Studie bis 1962 abgeschlossen sein sollte. Wenn bis dahin alles nach Plan verlaufen wäre, sollte 1963 mit dem Bau der Anlage begonnen werden und 1965 die Inbetriebnahme erfolgen.[8] Die Kosten für den Projektierungsauftrag betrugen 1,2 Millionen DM, knapp die Hälfte davon sollte von der Bundesrepublik Deutschland übernommen werden.[5] Die BEWAG warb außerdem beim Bundesatomminister Siegfried Balke für das Projekt, der die Sache insbesondere in der politischen Diskussion sah und diese kritisch betrachte. Auch der TÜV, der erste Ergebnisse für ein Gutachten veröffentlichte, ließ bereits erkennen, dass der Standort auf der Wannsee-Insel am Griebnitzsee problematisch sei, sah allerdings grundsätzlich kein Problem das Kernkraftwerk nicht zu errichten.[9] Ein alternativer Standort war die Pfaueninsel im Wannsee.[5] Insbesondere problematisch war, dass weder die britische, noch amerikanische Aufsichtsbehörden nach den Standortkriterien an diesen Standort den Bau eines Reaktors genehmigen würden, weshalb für die Anlage spezielle Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden hätten müssen, um einen großen Unfall standzuhalten. Konkret ginge es dabei um einen Berstschutz, der für das später projektierte Kernkraftwerk BASF ebenfalls vorgesehen war.[9]

Bei dem Finanzierungswunsch für das Projekt seitens der Bundesregierung, war das Bundesatomministerium der BEWAG nicht näher gekommen, insbesondere nachdem am 17. August 1961 das Außenministerium der vereinigten Staaten von Amerika eine Empfehlung aussprach, das Kernkraftwerk in Westberlin nicht zu errichten. Hierfür gab es mehrere Gründe:[7]

  • Ein Kernkraftwerk in einer Großstadt wurde weltweit bisher nicht errichtet, sodass es neue Anforderungen an Sicherheitsvorkehrungen geben müsse, die man zwar erreichen könnte, allerdings in der Öffentlichkeit nicht unbedingt als ausreichend angesehen werden könnten.
  • Der Bau eines Kernkraftwerks in Westberlin könnte zu einer scharfen Reaktion der Sowjetunion führen, die gegebenenfalls berechtigt wäre.
  • Um Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, hätte man mit der DDR verhandeln müssen, was seitens der USA aber nicht gewollt war.
  • Der Transport des Kernbrennstoffs und der Schwerkomponenten für die Anlage hätte durch die sowjetische Besatzungszone geführt, wobei die Sowjetunion dann wohl den Transport hätte behindern können. Ein Transport über den Luftweg wurde wegen der Kosten als zu aufwendig erachtet.
  • Müsste der Bau abgebrochen werden, könnte es als Nachgeben gegenüber der sowjetischen Besatzung gewertet werden, was seitens der USA keinesfalls gewollt war.

Das auswärtige Amt und auch das Bundesatomministerium teilten diese Auffassung, weshalb sie den Berliner Senat darüber informierten und auch EURATOM, womit die Förderung der Anlage nicht mehr möglich war.[7] Insbesondere die Vorstellung, dass bei einen großen Unfall die Bevölkerung in die DDR hätte evakuiert werden müssen, war ein Grund dafür, dass die Regierung in Bonn ein Veto gegen das Projekt platzierte.[5] Infolge zogen sich die Alliierten Westmächte aus dem Projekt endgültig zurück.[3] Vertreter des Berliner Senats kamen in der Folge mit Vertretern der BEWAG, des Bundesatomministeriums und des auswärtigen Amtes daraufhin zusammen und diskutierten den Weitergang des Projekts. Die BEWAG forderte wenigstens die Studie für das Kernkraftwerk mit Siemens abzuschließen, allerdings wurde dem Unternehmen erklärt, dass die Bundesregierung nicht bereit sei weitere Fördergelder zur Verfügung zu stellen, wenn das Kraftwerk am Ende sowieso nicht errichtet werden würde. Dies kam kurz vor Abschluss des Projektierungsauftrags der Anlage.[7] Im Jahr 1962 stellte die BEWAG das Projekt ein.[10] Trotz der Projektaufgabe empfahl der Energieausschuss des europäischen Parlaments im Februar 1963 den Bau eines Kernkraftwerks in Westberlin.[11]

Initiative der 1970er

Am 29. Mai 1970 fand das Symposium „Moderne Energieplanung in der Großstadt am Beispiel Berlins“ der Konrad Adenauer Stiftung statt, in dem Diskussionen und Vorträge genannt wurden, in denen die BEWAG keinen Bau eines Kernkraftwerks in Berlin zum derzeitigen Stand erörtere. Grund hierfür waren insbesondere die großen Blockeinheiten in der Bundesrepublik Deutschland mit bis zu 1300 MW. Da das Netz von Westberlin als Inselnetz autark betrieben wurde, sei es aus der Frequenzregelung im Netz sinnvoll, keine größeren Einheiten als 11 % der installierten Versorgungsleistung des Netzes zu errichten. Der größte Block des Netzes habe daher auch nur eine Leistung von 132 MW. Da Kernkraftwerke zudem erst ab 600 MW Leistung wirtschaftlich Sinn ergeben, sei aus Sicht der BEWAG der Bau eines Kernkraftwerks in Westberlin zu diesem Zeitpunkt ausgeschlossen worden. Dennoch gebe Kernbrennstoff die Möglichkeit entsprechende Reserven zu bilden und per Luftfracht transportiert werden kann. Insbesondere Rudolf Schulten untersuchte daher die Errichtung eines verkleinerten THTR-Hochtemperaturreaktors für Westberlin.[12] Im Juni 1970 versuchte daher der Stadtsenat am Standort Ruhleben nahe Charlottenburg die erneute Projektierung eines Kernkraftwerks mit 600 MW Leistung mit Fernwärmeauskopplung. Grund für diese Neuprojektierung war insbesondere die anstehende Genehmigung des Kernkraftwerks BASF in Ludwigshafen, das als Leitprojekt für die Positionierung von Kernkraftwerken in dicht besiedelten Gebiet und innerhalb der Stadt dient. Da sich die Genehmigung des BASF-Projekts aber Jahrelang hinwegzog, wurde das Projekt für Berlin nur theoretisch behandelt.[10] Noch im Jahr 1972 zeigte eine Studie, dass der 600 MW-Block für die Fernwärmeauskopplung ein Fernwärmepotential von knapp 1320 Gigakalorie pro Stunde gehabt hätte.[13]

Am 30. Mai 1974 forderte die CDU im Berliner Abgeordnetenhaus zuletzt, dass der Bau eines Kernkraftwerk doch erwogen werden müsse, wenn nicht in absehbarer Zeit ein Netzverbund mit der DDR oder der Bundesrepublik Deutschland hergestellt werden könne. Auch die BEWAG habe in den 1970ern noch mal eine Projektstudie in Auftrag gegeben über die reine Machbarkeit für den Bau der Anlage, die 1974 bereits vorlagen.[14] Die Pläne wurden allerdings nichts weiter fortgeführt. Noch zwischen 1972 und 1976 verhandelte die Bundesrepublik über den Bau eines Kernkraftwerks im damals sowjetischen Kernkraftwerk Kaliningrad mit einer direkten Leitung nach Westberlin. Allerdings wurde auch dieses Alternativprojekt nie realisiert und aus politischen und finanziellen Gründen aufgegeben.[15]

Einzelnachweise

  1. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 1. Handelsblatt GmbH, Februar 1956. Seite 78.
  2. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 1. Handelsblatt GmbH, Oktober 1956. Seite 342, 343.
  3. a b Roland Kollert: Die Politik der latenten Proliferation: Militärische Nutzung “friedlicher” Kerntechnik in Westeuropa, Springer-Verlag, 2013. ISBN 3322812545. Seite 75.
  4. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 4. Handelsblatt GmbH, Juli/August 1959. Seite 358.
  5. a b c d Joachim Radkau: Die Ära der Ökologie: Eine Weltgeschichte, C.H.Beck, 2011. ISBN 3406619029. Seite 142.
  6. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 4. Handelsblatt GmbH, November 1959. Seite 496.
  7. a b c d Mechthild Lindemann, u.a.: 1961, Walter de Gruyter GmbH & Co KG, 2018. ISBN 3110604868. Seite 1309.
  8. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 6. Handelsblatt GmbH, Juni 1961. Seite 342.
  9. a b Joachim Radkau: Aufstieg und Krise der deutschen Atomwirtschaft 1945 - 1975, Rowohlt, 1983. ISBN 3499177560. Seite 142.
  10. a b ZEIT Online: Atomstadt Berlin, 08.03.2012. Abgerufen am 15.02.2019. (Archivierte Version bei Archive.is)
  11. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 8. Handelsblatt GmbH, April 1963. Seite 277.
  12. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 15. Handelsblatt GmbH, Juli 1970. Seite 302.
  13. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 20. Handelsblatt GmbH, Januar 1975. Seite 34.
  14. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 19. Handelsblatt GmbH, Juli 1974. Seite 318.
  15. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 21. Handelsblatt GmbH, Mai 1976. Seite 219.

Siehe auch

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