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Generation III

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Entwicklungsschema der Kernenergienutzung
Entwicklungsschema der Kernenergienutzung

Die Kernkraftwerke der Generation III sind die aktuelle Reaktorgeneration, und basieren auf den Reaktoren der Generation II. Die Anforderungen an diese Systeme wurden von europäischen Energieversorgern definiert, und sollen die Beherrschung von schweren Unfällen im Kraftwerk ermöglichen. Eine ähnliche Entwicklung lief in den Vereinigten Staaten ab, als die Nuclear Regulatory Commission (NRC) nach dem Reaktorunfall von Three Mile Island verlangte, die Folgen von schweren Reaktorunfällen zu minimieren.[1] Eine einheitliche Definition von Kernkraftwerken der Generation III existiert jedoch nicht, so dass manche Hersteller ihre Anlagen auch als “Generation III+“ oder ”Generation III++” bezeichen.


Entwicklungsgeschichte

Ausgangslage

Weltweite installierte nukleare Kapazität, sowie Reaktoren im Bau und in Betrieb

Als die ersten Reaktoren der Generation II ab 1970 verfügbar waren, begann ein steter Zuwachs an installierter Leistung auf dem Globus. Die Verheißung einer nach menschlichen Maßstäben unbegrenzten Energiequelle, sowie die unkritische Betrachtung der Atomkernenergienutzung in weiten Teilen von Gesellschaft und Politik legten hierfür den notwendigen Grundstein. Als die Öko-Sekte Club of Rome im Jahr 1972 ihre Weltuntergangsvision „Die Grenzen des Wachstums“ veröffentlichte, und die erste Ölkrise 1973 von vielen Menschen als Vorbote von Ölfördermaximum und Ressourcenknappheit wahrgenommen wurde, wurde die Kernenergienutzung in allen westlichen Ländern als Lösung des Problems angesehen.[2] So ließ 1974 die Regierung Schmidt folgende Postwurfsendung an alle Haushalte verteilen: „[...] unsere Versorgung mit Energie ist gefährdet. [...] Wir müssen unsere vorhandenen Energiequellen besser ausnutzen und uns nach neuen Energiequellen umsehen. Eine der aussichtsreichsten, eine der zukunftsträchtigsten, eine der sichersten ist die Kernenergie, damit wir auch nach dem Jahr 2000 versorgungs- und krisensicher sind.“[3] Konsequenterweise wurde deshalb Geld in Wiederaufarbeitungs- und Brütertechnologie investiert, um die langfristige Versorgungssicherheit Deutschlands mit preiswertem Atomstrom sicherzustellen. Ähnliche Entwicklungen waren auch in anderen Ländern zu beobachten.

Allerdings war der in der Menschheitsgeschichte nie gekannte materielle Überfluss vielen unheimlich. Die oben genannten Ereignisse und eine Reihe von Chemieunfällen (z.b. das Sevesounglück 1976) führten bei vielen Menschen in den westlichen Ländern zu einem Gefühl des Unbehagens, zu Schuldkomplexen und Katastrophentheorien. Die so entstandene Ökoreligion gibt den Menschen Schuldgefühle wenn sie Strom, der sich in Kernkraftwerken in beliebigen Mengen umweltfreundlich und preisgünstig herstellen lässt, scheinbar unnötig verbrauchen oder mit einem Sport Utility Vehicle aus Spaß durch die Gegend fahren. Der Ökologismus predigt stattdessen den Verzicht, um ein guter Mensch zu sein. Den ungläubigen Sündern wird der Tod durch Atomstrahlen, das Waldsterben, die Klimakatastrophe, Peak-Irgendwas oder Gift in industriell erzeugten Lebensmitteln vorhergesagt. Hohe Steuerlasten auf Energie sowie Dauerpropaganda in den Medien sollen die Ungläubigen zur Einkehr und Umkehr bewegen.

Carter im KKW Three Mile Island

Unter dem Vorwand der Proliferation erließ President Gerald Ford ein Wiederaufarbeitungs-Moratorium, sein Nachfolger Jimmy Carter verbot das Recycling von abgebrannten Brennelementen vollständig.[4] Carter reihte sich später in die Gruppe der Untergangspropheten ein, als er mit „Global 2000“ sein eigenes ökologisches Zukunftsszenario in Auftrag gab. Nachdem es 1979 im Kernkraftwerk Three Mile Island zu einer partiellen Kernschmelze kam brach eine beispiellose Hysterie aus, welche durch den zur gleichen Zeit laufenden Katastrophenfilm „Das China-Syndrom“ verstärkt wurde. Als wenige Jahre später Block 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl in die Luft flog, schwenkten alle Parteien in Deutschland auf Feldfrüchte, Wind und Sonne als Energiequelle der Zukunft um. Seitdem haben Medien und die grüne Agit-Prop-Szene sehr erfolgreich die Vorstellung vom „GAU“ als apokalyptischem Schreckensereignis verbreitet, übertroffen nur von dem „Super-GAU“, der an den Weltuntergang grenzt. Hypothetische Unfälle in modernen Kernkraftwerken werden meist als katastrophale Szenarien ausgemalt, die zahllose Menschenleben kosten und große Gebiete für Generationen unbewohnbar machen sollen.[5]

Trotzdem konnten – außer in Deutschland – weitere Neubauprojekte fertiggestellt werden. Nachdem die alten Industrienationen in Europa und Nordamerika Ende der 90er Jahre mit Kraftwerken ausreichend versorgt waren, lief der Bau neuer Kernkraftwerke in diesen Ländern aus. Die dünne Auftragslage der Atomindustrie führte im Anschluss zu zahlreichen Fusionen: Das Unternehmen Westinghouse Nuclear wurden vom Konkurrenten Toshiba geschluckt, General Electric legte seine Nuklearsparte mit Hitachi zu GE-Hitachi zusammen, und Framatome und Siemens KWU schlossen sich zum Nuklearkonzern Areva zusammen.

Konsolidierung

Der ABWR, hier im Bau im KKW Lungmen, war der erste Reaktor der Generation III

1991 schlossen sich 12 europäische Energieversorgungsunternehmen zusammen, um die technischen Anforderungen für evolutionäre Leichtwasserreaktoren zu definieren, welche später als Generation III bezeichnet wurden. Diese Unternehmen und Verbände sind British Energy (UK), Suez – Tractebel (BE), Electricité de France (FR), NRG (NL), IBERDROLA (ES), VGB PowerTech (DE), SOGIN (IT), Vattenfall (SE), TVO und FORTUM (FI), Swissnuclear (CH) und Rosenergoatom (RUS). In diesen European Utility Requirements (EUR) wurden ungefähr 4.000 Anforderungen festgelegt, welche ein Leichtwasserreaktor, der in Europa (im weitesten Sinne) entwickelt und gebaut wird, erfüllen muss. Das amerikanische Electric Power Research Institute (EPRI) entwickelte zur selben Zeit ein Utility Requirements Document (URD), mit welchem eine vergleichende Analyse (engl. Benchmark) durchgeführt wurde.[2]

Zusätzlich müssen auch die Vorschriften des Landes berücksichtigt werden, in welchem das Kernkraftwerk gebaut werden soll. In der Regel orientieren sich diese aber an den EUR und den EPRI-URD, schon allein aus praktischen Gründen. Auch versuchen Kraftwerksbauer ihre Modelle so zu konstruieren, das diese sowohl in Europa als auch in den Vereinigten Staaten zulassungsfähig sind (z.b. EPR und AP1000). Allerdings sind nicht die Energieversorger aller Länder in diesen EUR/EPRI-URD beteiligt. So gibt es in Japan, Indien, China und Südkorea eigene Anforderungen, welche eine exakte Definition der Eigenschaften eines Generation-III-Reaktors unmöglich machen. Generell werden meist die Folgenden, im Abschnitt “Überblick” näher erläuterten Kriterien genannt.

Der Neubau von zwei AP1000 im KKW Vogtle ist der Erste seit 1978

So wird der ABWR von Toshiba als Generation III bezeichnet, obwohl in der japanischen Version katalytische Rekombinatoren und ein gefiltertes Venting bei Überschreitung des Auslegungsdruckes fehlen. Zusammen mit der nur 3 × 50% Redundanz plus 50% dampfbetriebene Einspeisung (RCIC) bei den Kühlsystemen ist die Anlage zwar in Japan und den USA zulassungsfähig, aber nicht in Europa, woran auch der Kernfänger nichts ändern kann. Die Version EU-ABWR soll deshalb mit 3 × 100% redundanten Kühlsystemen (N+2 Regel), einem passiven System zur Abfuhr der Nachzerfallswärme um ein Venting hinauszuzögern (12-Stunden-Regel), sowie einem gefiltertem Venting (Criteria for Limited Impact) ausgestattet werden.[6] Die von manchen Herstellern gebrauchten Bezeichnungen wie Generation III+ oder Generation III++ sind nirgends definiert, und sollen dem Kunden einen Mehrwert suggerieren. Meist soll damit auf bessere Sicherheitstechnik aufmerksam gemacht werden, welche einen Vorgriff auf die Generation IV darstellen soll, oder sich von Mitbewerbern abhebt.

Durch den steigenden Strombedarf in den aufstrebenden Staaten Asiens kam es zu einer Renaissance der Kernenergienutzung, sodass die Durststrecke der Nuklearindustrie vorbei ist. Neue Firmen aus China, Südkorea und Indien sind in den Kreis der Kraftwerkshersteller vorgestoßen, und entwickeln eigene Reaktorkonzepte mit zunehmender Selbstständigkeit. Um die jahrzehntelange schikanöse Behandlung der Nuklearindustrie und das verlorene Know-how wiedergutzumachen, wird der Ausbau der Kernenergie in den Vereinigten Staaten von staatlicher Seite gefördert. Neben den üblichen Bürgschaften zum Bau der Anlage (werden auch für Sonnenwärmekraftwerke, Clean Coal, usw gewährt) wird im Rahmen des Energy Policy Act 2005 eine Steuererleichterung von $ 2,1 ct/kWh für die ersten 6.000 MWe an neuer Erzeugungskapazität für acht Jahre garantiert. Zusätzlich sind die Energieversorger über den Bund gegen Verzögerungen im Zulassungsverfahren mit bis zu 2 Mrd. US-Dollar abgesichert.[7] Durch die Baugenehmigungen im KKW Vogtle (+2400 MWe) und KKW Summer (+2400 MWe) Anfang 2012 ist der Subventionstopf fast ausgeschöpft.

Überblick

Wirtschaftlichkeit

Die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit war neben der Nuklearsicherheit eines der Hauptpunkte der Generation III. Die Forderungen der Energieversorger lagen daher bei Blockleistungen von 1100-1700 MWe, einer Auslastung von bis zu 95% durch lange Zyklen, eine bessere Lastfolgefähigkeit und eine Anlagenlebensdauer von mindestens 60 Jahren.[8][9] Ferner wurde die Konstruktion der Kraftwerke vereinfacht, um die Zahl der Pumpen, Ventile usw pro installierter Leistung zu reduzieren. Manche Anlagen wie der ABWR und der AP1000 sind auch komplett modular aufgebaut: Dabei wird das Kraftwerk in einzelne Module aufgeteilt, zum Beispiel in Kontrollraum, Kernfänger, Kondensatoren usw, und diese schon vorgefertigt und ausgerüstet auf den Rohbau gestapelt und miteinander verbunden. Die Zulieferer für die Baugruppen können überall auf der Welt liegen. Das Prinzip wurde aus dem Schiffbau und der Luftfahrtindustrie übernommen.[10] Das komplette Kraftwerk kann so innerhalb von wenigen Monaten errichtet werden. Westinghouse gibt 36 an, für den ersten AP1000 im KKW Sanmen werden 50 Monate erwartet. Mehrere ABWRs wurden in Japan bereits in nur 48 Monaten fertiggestapelt. Die modulare Bauweise soll auch für die Generation IV übernommen werden.

Die deutlichste Verbesserung wurde im Kernfissionsreaktor erreicht: Konnten die meisten Anlagen der Generation II nur Abbrände von 30-40 GWd/t und Prozesswirkungsgrade von ~30% erreichen, wurde dies bei der Generation III deutlich gesteigert. Die Abbrände erreichen hier 60-70 GWd/t, und sollen langfristig auf bis zu 100 GWd/t steigen.[8][9] Der Prozesswirkungsgrad wurde nicht durchgehend angehoben, weil die Erhöhung des Abbrandes eines Kernkraftwerkes leichter zu realisieren ist als eine Erhöhung des Wirkungsgrades. So kommt der AP1000 nur auf magere 33%, während der EPR schon 37% erreicht. Gegenüber der Vorgängergeneration konnten die Brennstoffkosten etwa halbiert werden. So kostete 1 Kilogramm angereichertes Uran im März 2011 etwa 2770 US-Dollar.[11] Mit einem Abbrand von 35 GWd/t und 30% Prozesswirkungsgrad ergeben sich damit Brennstoffkosten zu $ 1,1 ct/kWh, im Vergleich zu $ 0,49 ct/kWh bei 65 GWd/t und 35%.

Die spezifischen Investitionskosten eines Generation-III-Kraftwerkes liegen bei etwa € 3000/kW, mit Schwankungen zwischen ±1000 Euro pro Kilowatt installierter Leistung. Das Kernkraftwerk Barākah in den Vereinigten Arabischen Emiraten, welches aus vier Blöcken des Typs APR-1400 bestehen soll, kostet zum Beispiel 20 Mrd. US-Dollar, und somit $ 3571/kW.[12] Da die Kosten zur Errichtung eines Kernkraftwerks sehr hoch sind, schließen sich meist mehrere Unternehmen, Investoren oder Genossenschafter zum Bau eines Kraftwerks zusammen, um den Bedarf an Fremdkapital zu reduzieren. Die finnischen Energieversorger Teollisuuden Voima Oy (TVO) und Fennovoima Oy sind beispielweise Zusammenschlüsse von Firmen und kommunalen Versorgern, welche den Strom zum Erzeugerpreis an die Gesellschafter weiterverkaufen.[13]

Sicherheit

Baustelle im KKW Nowoworonesch II
Kernfänger des ersten Blocks im Bau

Die Sicherheitstechnik machte den größten Sprung nach vorne. Das Restrisiko für Kernschmelzunfälle (engl. core damage frequency, CDF) wurde von unter 1:10.000 (Gen II) auf unter 1:1.000.000 pro Reaktorjahr reduziert, das Risiko für die frühzeitige Freisetzung einer großen Menge radioaktiver Stoffe (engl. large early release frequency, LERF) von unter 1:100.000 auf weit unter 1:1.000.000 pro Reaktorjahr gedrückt. Des Weiteren wurde der Schutz gegen Flugzeugeinschläge im Anlagendesign berücksichtigt. Der wesentlichste Unterschied ist jedoch die Designphilosophie, nach der die Kernkraftwerke der Generation III entwickelt wurden: Wurden die KKWs der Generation II noch auf die Beherrschung fest definierter Auslegungsstörfälle ausgelegt, zum Beispiel einen Kühlmittelverluststörfall, wird bei der Generation III die Beherrschung von schweren Unfällen (engl. severe accidents) angestrebt.[8][9]

Bei allen modernen Leistungsreaktoren wurden deshalb Vorkehrungen getroffen, um Kernschmelzunfällen besser begegnen zu können. Dabei lassen sich die Gegenmaßnahmen in zwei Arten einteilen: Zum Einen die Kühlung der Schmelze im Reaktordruckbehälter, wobei der Reaktordruckbehälter von außen unter Wasser gesetzt wird, um die Nachzerfallswärme des Coriums über die Wand des Behälters abzuführen (engl. in-vessel retention, IVR). Alternativ wird ein Durchschmelzen der Bodenkalotte eingeplant, um das Corium in einer speziellen Vorrichtung abzukühlen. Der Vorteil gegenüber der ersten Methode ist die günstigere Form der Schmelze welche sich dadurch besser kühlen lässt, der Nachteil der höhere Konstruktionsaufwand. Obwohl diese dezidierte Vorrichtung nicht von jedem Hersteller als Kernfänger (engl. core catcher, CC) bezeichnet wird, erfüllt sie doch denselben Zweck, auch wenn sich der Aufbau stark unterscheidet. Das Konzept, Kernschmelzunfällen durch die Kühlung des Reaktordruckbehälters oder der Ausbreitung der Schmelze in einem Kernfänger zu begegnen, wird auch für die Generation IV übernommen.[2]

Die Anforderungen sind dabei wesentlich abstrakter in Form von Karenzzeiten (engl. grace period) und Regeln formuliert. Kernkraftwerke benötigen bei gewissen Unfallszenarien eine externe Wasserzufuhr, um die Nachzerfallswärme abzuführen. Die Zeit zwischen dem Eintritt des Unfalles und der Notwendigkeit einer externen Wassereinspeisung – oder einem anderen bedeutenden Ereignis – wird dabei als Karenzzeit bezeichnet. Durch die abstrakten Formulierungen wurde die Definition von drei Begriffen durch die IAEA und nationale Aufsichtsbehörden notwendig:

  • „practical elimination:“ Dieses Ereignis kann entweder aus physikalischen Gründen nicht eintreten, oder kann mit hoher Sicherheit als extrem unwahrscheinlich angesehen werden (IAEA). Die britische Aufsichtsbehörde definiert ein Ereignis mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von weniger als 1 × 10-7 pro Reaktorjahr (PSA-Wert) als „praktisch eliminiert“, wenn dies zusätzlich durch deterministische Sicherheitsanalysen abgesichert wurde. Beispiel: Kernschmelzunfälle im EPR mit Undichtheit des Sicherheitsbehälters (engl. Containment bypass) sind „praktisch eliminiert“.[14]
  • „dealt with:“ Diese Dinge sind im Anlagendesign berücksichtigt, in der Regel nach den Vorgaben der Aufsichtsbehörden. Beispiel: Der Bruch einer Hauptkühlmittelleitung, Materialermüdung, usw.
  • „excluded:“ Diese Dinge werden im Zulassungsverfahren nicht berücksichtigt. Beispiel: Die NRC ignoriert beim AP1000 das Splittern von rotierenden Komponenten, wenn diese nur in weniger als 2% der Zeit betrieben werden. Ebenso wird ein Umherfliegen von Splittern (engl. missiles) im Containment bei einem Bruch von Haupt- oder Notkühlpumpen nicht betrachtet, da diese eingekapselt (engl. canned) sind.[15]

Einige Vorgaben der European Utility Requirements (EUR) lauten zum Beispiel wie folgt:

  • Criteria for Limited Impact: Die Freisetzung von radioaktiven Substanzen muss stets so gering sein, dass ab 800 Meter vom Reaktor keine Notfallschutzmaßnahmen erforderlich sind.[16]
  • 30-Minuten-Regel: In den ersten 30 Minuten nach einem Ereignis soll der Eingriff eines Operators nicht nötig sein.
  • 12-Stunden-Regel: In den ersten 12 Stunden nach Unfallbeginn darf kein Venting notwendig sein.[6]
  • 24-Stunden-Regel: Bei einem Kühlmittelverluststörfall und Blackout (LOCA+SBO) muss die Nachzerfallswärme für 24 Stunden abgeführt werden können.[17]
  • 72-Stunden-Regel: Die Nachzerfallswärme muss mindestens 72 Stunden nach der Trennung von der Hauptwärmesenke (LHS) abgeführt werden können.[6]
  • N+2 Regel: Zwei Notkühlstränge dürfen ausfallen, ohne das die Abfuhr der Nachzerfallswärme gefährdet ist. In den USA gilt die schwächere N+1 Regel analog.

Auf Basis dieser und weiterer Vorgaben konzipieren die Kraftwerkshersteller ihre Anlagen. In der Regel wird dabei das strengste Sicherheitskriterium angewand, da die Anlage möglichst überall zulassungsfähig sein soll. So ist der EPR darauf ausgelegt, dass bei einem Kernschmelzunfall in der Anlage auf die Evakuierung der umliegenden Bevölkerung verzichtet werden kann.[18] Diese Vorgabe der französischen und deutschen Aufsichtsbehörde wird auch von der britischen Health and Safety Executive (HSE) geteilt. Für Menschen in der Nähe des Reaktors wird in diesem Fall nur das Aufsuchen einer Unterkunft (engl. sheltering) in Erwägung gezogen.[14] Auch der umgekehrte Weg ist möglich: Wie bereits oben dargelegt, müssen manche Hersteller ihr Modell nachbessern, um in den USA oder Europa zulassungsfähig zu sein.

Da die Kraftwerkshersteller relativ frei in ihren Gestaltungsmöglichkeiten sind, ergeben sich kreative Entfaltungsmöglichkeiten bei der Sicherheitstechnik. Manche Modelle wie der EPR oder ABWR verwenden hauptsächlich aktive Sicherheitssysteme, während beim AP1000 und ESBWR mehr Augenmerk auf passive Systeme gelegt wurde. Aktive Systeme benötigen für ihre Funktion elektrische Energie, während passive Systeme auf physikalischen Grundprinzipien wie Schwerkraft, kommunizierende Röhren, Verbrennung usw. basieren. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) veröffentlichte dazu mit dem IAEA-TECDOC-1624 ein Papier, in dem die Möglichkeiten passiver Sicherheitstechnik dargestellt sind, welche von einem IAEA-Forschungsprogramm untersucht wurden.[19]

Brennstoffkreislauf

Uranpreis, real und inflationsbereinigt

Da sich die Anforderungen der Elektrizitätsversorgungsunternehmen nur auf Sicherheitstechnik und Wirtschaftlichkeit beschränken, spielt die Nachhaltigkeit der nuklearen Energieversorgung bei der Generation III keine Rolle. Die höheren Brutfaktoren moderner Reaktoren sind dem Wunsch der Energieversorger nach hohen Abbränden und langen Zyklen geschuldet, und nicht Teil eines großen Plans. Trotzdem zeichnen sich seit 1991 einige Entwicklungen auf dem Gebiet der Urananreicherung, der Uranförderung und der Wiederaufarbeitung ab.

Der Uranbedarf lag 2011 bei 68.000 Tonnen. Damit wurden 375 GWe nukleare Erzeugungskapazität bedient, hauptsächlich durch Reaktoren der Generation II. Dies sind etwa 181 Tonnen Natururan (NatU) für 1 GWe. Wird die Wiederaufarbeitung mancher Länder wie Frankreich herausgerechnet, werden etwa 200 t NatU für 1 GWe Erzeugungskapazität benötigt.[2] Dies setzt sich zusammen aus einer Abreicherung von 0,7% 235U auf 0,3% 235U und einem Anreicherungsgrad von 3,5% für den Kernbrennstoff. Somit ergeben 200 t NatU etwa 26 t UO2 Kernbrennstoff, was einer jährlichen Reaktorbeladung entspricht. Mit einem Abbrand von 35 GWd/t ergeben sich somit 35 GWd/t × 26 t = 910 GWdth, was bei einem Prozesswirkungsgrad von 35% etwa 319 GWde und damit 1 GWe installierte Leistung bei 87% Auslastung entspricht. Diese Uranverschwendung ist aufgrund der niedrigen Uranpreise die momentan wirtschaftlichste Art der Atomverstromung.

Allerdings wurden im Bereich der Urananreicherung in den letzten Jahren global betrachtet Fortschritte erzielt: Reicherten die Vereinigten Staaten und Frankreich noch im großen Stil Uran nach dem Gasdiffusionsverfahren an, stiegen diese in den letzten Jahren auf das wirtschaftlichere Gaszentrifugenverfahren um. Benötigt das Gasdiffusionsverfahren 2400 kWh pro Urantrennarbeit (UTA), ist das Gaszentrifugenverfahren mit 50-60 kWh/UTA wesentlich preiswerter. Frankreich eröffnete dazu die Urananreicherungsanlage Georges Besse II im April 2011, in den USA wurden mit der National Enrichment Facility sowie den im Bau befindlichen Anlagen American Centrifuge Plant und Eagle Rock die notwendigen Investitionen getätigt. Der Bau einer neuen Anlage, welche erstmals mit der fortschrittlichen Laseranreicherung arbeiten soll, findet seit Ende 2012 statt.[20]

WAA Rokkasho in Japan

Im Bereich der Uranförderung sind ebenfalls interessante Entwicklungen zu verzeichnen. Seit einigen Jahren wird der Bedarf an Kernbrennstoff zum Teil durch die Verschrottung von Kernwaffen gedeckt, wobei hoch angereichertes Uran (HEU) oder Plutonium zu leicht angereichertem Uran (LEU) oder Mischoxidbrennstoff (MOX) verarbeitet werden. Diese Situation hat die Lage für den Uranbergbau weiter verschlechtert, welcher bereits ab 1980 mit sinkenden Absatzpreisen zu kämpfen hat. Wurden in den 90er Jahren noch etwa 20% des US-Uranbedarfs in Florida aus Phosphaten gewonnen, wurde das Verfahren durch den Preisverfall unwirtschaftlich.[21] Momentan wird an verbesserten Verfahren zur Gewinnung von Uran aus Phosphaten gearbeitet, welche die Ausbeutung dieser Vorkommen – auch unter Erwartung zwangsläufig steigender Uranpreise – wieder wirtschaftlich machen würde.[22] Phosphate sind mit 22 Mio. Tonnen Uran nach Meerwasser mit 4 Mrd. Tonnen die zweitgrößte Uranressource (IAEA-NEA).

Bei der Wiederaufarbeitung sind keine wesentlichen Fortschritte zu verzeichnen. Abgebrannte Brennelemente werden weiterhin ausschließlich nach dem PUREX-Prozess (engl. Plutonium-Uranium Recovery by Extraction) recycled. Alternative Verfahren wie COEX, die unter dem Dogma der Proliferationsresistenz entwickelt werden, trennen dabei Uran und Plutonium gemeinsam ab, um kein Bombenmaterial zu schaffen. Die Wiederaufarbeitungsanlage Rokkasho arbeitet zwar auch mit dem PUREX-Prozess, allerdings in modifizierter Form. Dabei wird das Plutonium vor der Denitrierung mit Uran verunreinigt, damit die so entstandene Oxidmischung nicht bombentauglich ist.[23] Weitere Länder sind in die Wiederaufarbeitung eingestiegen, oder planen den Einstieg: So wird die Wiederaufarbeitungskapazität in China konsequent ausgebaut, um den Brennstoffkreislauf zu schließen. Die Zusammenarbeit erfolgt hier mit Areva.[24]

Reaktormodelle

Gegenüber der Generation II hat sich die Zahl der Reaktormodelle reduziert. So sind gasgekühlte Reaktoren nicht mehr unter den angebotenen Modellen. Der bereits in der Sowjetunion angedachte überkritische Leichtwasserreaktor konnte noch nicht zur Serienreife entwickelt werden, und wird heute zur Generation IV gezählt. Die folgende Liste nennt nur Systeme, welche gebaut werden, fest geplant oder in Betrieb sind.

Druckwasserreaktor

Schema eines Druckwasserreaktors

Der Druckwasserreaktor (engl. Pressurized water reactor, PWR) hat sich in seiner Bauweise gegenüber der Generation II nicht wesentlich geändert, die Leistungsfähigkeit der Bauteile wurde jedoch gesteigert. Wasser dient weiterhin als Moderator und Kühlmittel. Der Betriebsdruck des Wassers wird im Primärkreislauf so hoch gewählt, dass es bei der vorgesehenen Betriebstemperatur nicht siedet. Dadurch erfolgt eine gleichmäßige Benetzung der Brennstäbe und im Ergebnis an der Oberfläche der Brennstäbe eine ausgeglichene Wärmeverteilung ohne Korrosionsgefahr in der Dampfphase. Diese gleichmäßige Wärmeverteilung bewirkt ein gutmütiges Regelverhalten bei guter Ausnutzung der freiwerdenden Energie. Das im Reaktorkern erhitzte Wasser gibt in einem Dampferzeuger seine Wärme an einen getrennten Sekundärkreislauf ab, welcher als Clausius-Rankine-Kreisprozess arbeitet. Der Sekundärkreislauf ist frei von radioaktiven Partikeln, was z.B. die Wartung der Dampfturbine erleichtert.

Zu den Verbesserungen zählen hier eine Reduktion an Ventilen, Schweißnähten und Pumpen pro installierter Leistung gegenüber der Generation II, und ein gesteigerter Abbrand und Brutfaktor. Interessant ist die Entwicklung der Dampferzeuger, da diese großteils von Hand gefertigt werden und für die Abmessungen des teuren Containments maßgeblich sind. Die Zahl der Dampferzeuger variiert dabei je nach Reaktormodell zwischen 2 und 4. Die untere Liga wird dabei durch den WWER-1200 und EPR abgedeckt, welche je 4 Kühlkreise besitzen und somit 825 MWth bzw 1125 MWth pro Dampferzeuger “leisten”. Die Höchstwerte werden beim AP1000 und APR-1400 erreicht, welche nur zwei Kühlkreise besitzen und etwa 1708 MWth bzw 2000 MWth pro Dampferzeuger erreichen. Gegenüber der Vorgängermodellen konnte die Strömung und der Wärmeübergang optimiert werden, sodass höhere Prozesswirkungsgrade möglich wurden.

Bei der Sicherheitstechnik sind sowohl Reaktoren mit hauptsächlich aktiven Systemen, als auch Anlagen mit hauptsächlich passiven Systemen vertreten. Die Zahl der Anlagen mit aktiven Systemen (EPR, MIR-1200, usw) ist aber wesentlich höher als die Zahl der Kraftwerksmodelle mit passiven Systemen (AP1000, CAP1400, WWER-1200/392M, WWER-TOI). Russland beginnt zudem mit dem WWER-S-600 und WWER-S-1200 mit Spektralregelung, eine Eigenschaft von Reaktoren der Generation IV, den Übergang zu dieser Reaktorgeneration, weshalb diese Anlagen vom Hersteller als Generation III++ bezeichnet werden.

Siedewasserreaktor

Schema eines Siedewasserreaktors

Der Siedewasserreaktor (engl. boiling water reactor, BWR) wurde im Gegensatz zur Generation II wesentlicher verbessert. Wasser dient auch hier als Moderator und Kühlmittel. Im Gegensatz zum Druckwasserreaktor verfügt der Siedewasserreaktor nur über einen Dampf-Wasser-Kreislauf, welcher als Clausius-Rankine-Kreisprozess arbeitet. Der Kreislauf des radioaktiv belasteten Kühlmittels ist somit nicht auf den Sicherheitsbehälter beschränkt, sondern betrifft auch die Dampfturbine und die Kondensatoren. Durch den Wegfall der Dampferzeuger kann das Containment wesentlich kompakter ausfallen, beide Dinge vereinfachen die Konstruktion.

Der größte Fortschritt zur Generation II ist sicherlich der Wegfall der Umwälzpumpen im Reaktordruckbehälter: Sind beim ABWR noch 10 kleine Pumpen notwendig, kommt der ESBWR ohne aus. Die Feinregelung der Reaktorleistung erfolgt hier ausschließlich über die Steuerstäbe, welche von unten in den Kern geführt werden. Ansonsten zählen auch hier eine Reduktion an Ventilen, Schweißnähten und Pumpen pro installierter Leistung gegenüber der Generation II zu den Verbesserungen, sowie ein gesteigerter Abbrand und Brutfaktor.

Auch hier sind sowohl Reaktoren mit hauptsächlich aktiven Sicherheitssystemen, als auch Anlagen mit hauptsächlich passiven Systemen vertreten. Neben dem ABWR von Toshiba mit aktiven Systemen existiert noch der ESBWR von GE-Hitachi, welcher stark auf passive Systeme setzt.

Druckschwerwasserreaktor

Schema eines Druckschwerwasser-
reaktors mit horizontalen Druckrohren

Der Druckschwerwasserreaktor (engl. pressurized heavy water reactor, PHWR) fristete schon immer ein Nischendasein. Kanada und Indien entwickeln die Reaktorlinie aber weiter, wobei der indische Advanced Heavy Water Reactor (AHWR) die größten Chancen besitzt, verwirklicht zu werden. Im Unterschied zu einem Leichtwasserreaktor besitzt ein Druckschwerwasserreaktor getrennte Moderator- und Kühlmittelsysteme. Der Moderator D2O wird fast drucklos und bei niedrigen Temperaturen in einem Reaktortank gelagert. Durch die Verwendung von schwerem Wasser als Moderator ist es möglich, Natururan oder nur leicht angereichertes Uran als Brennstoff einzusetzen. Dies liegt daran, dass die Neutronen in schwerem Wasser in geringerem Maße absorbiert werden als in normalem Wasser. Allerdings ist der Streuquerschnitt von D2O kleiner als von H2O (14,5 zu 105 barn), so dass ein sehr voluminöser Reaktor erforderlich ist. Aus Kostengründen wird deshalb auf einen großen Reaktordruckbehälter verzichtet, und das Kühlmittel durch Druckrohre geführt, in denen sich die Brennelemente befinden. Der Aufbau eines Druckschwerwasserreaktors ist sonst mit dem eines Druckwasserreaktors identisch.

Gegenüber den Druckschwerwasserreaktoren der Generation II soll beim Advanced CANDU Reactor (ACR) und dem AHWR Leichtwasser die Druckrohre durchströmen, was wesentlich preiswerter als schweres Wasser ist. Weitere Verbesserungen sind noch nicht quantifizierbar. Die fachliche Einstufung des ACR und AHWR als Generation-III-Reakor ist dabei gänzlich unmöglich, da weder Kanada noch Indien die European Utility Requirements (EUR) als Vorlage für ihre Aufsichtsbehörden verwenden, und die EUR nur für Leichtwasserreaktoren gelten. Allerdings sind bei beiden Systemen passive, schwerkraftgetriebene Kernkühlsysteme vorgesehen, was mit der Sicherheitsphilosophie anderer Reaktoren der Generation III übereinstimmt. Während der ACR mit einem einfachen Containment geplant ist, soll der AHWR ein Doppelcontainment erhalten. Dafür liegt der ACR mit 1200 MWe in konkurrenzfähigen Leistungsbereichen, während der AHWR mit nur 300 MWe im Wettbewerb schlechte Karten haben dürfte.[25]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. AREVA NP: EPR Severe Accident Design Features
  2. a b c d EUROPEAN COMMISSION: Generation IV reactor systems and fuel cycles (horizon 2030): technological breakthroughs in nuclear fission
  3. Dipl.-Phys. Alvo v. Alvensleben: Die Zukunft der Kernenergie, Vortrag vor Old Table 15 Freiburg am 16.2.2006
  4. The Politics, Science, Environment, and common sense of Spent Nuclear Fuel Reprocessing 3 decades later / Symposium on the Technology of Peaceful Nuclear Energy, Irbid, Jordan 2008
  5. KE Research: Das deutsche Fukushima-Desaster
  6. a b c TOSHIBA: US-ABWR and EU-ABWR Design, Safety Technology, Operability Features and their Current Deployment
  7. WNA: US Nuclear Power Policy
  8. a b c NRI: Evolution of safety assessment approaches for Gen III systems and implications for future systems
  9. a b c ENCONET: Best Estimate Tools and Challenges of the New Reactor Designs
  10. Frank Princiotta: Global Climate Change - The Technology Challenge (Advances in Global Change Research), ISBN-10: 9048131529 (2011)
  11. WNA: The Economics of Nuclear Power
  12. WNN: Enec prepares UAE site for reactors
  13. European Energy Review: The Finnish way: nonprofit nuclear power
  14. a b HSE: IAEA Generic Review for UK HSE of New Reactor Designs against IAEA Safety Standards EPR
  15. NRC: 3. Design of Structures, Components, Equipment and Systems – AP1000 Design Control Document
  16. Umweltbundesamt: NPP OLKILUOTO-4
  17. European Utility Requirements for LWR nuclear power plants: EUR volume 3 AES 92 subset
  18. Takehiko Saito: Advances in Light Water Reactor Technologies, ISBN 1441971009
  19. IAEA: Passive Safety Systems and Natural Circulation in Water Cooled Nuclear Power Plants
  20. WNA: Uranium Enrichment
  21. WNA: Supply of Uranium
  22. WNN: Investment boosts phosphate development
  23. WNA: Processing of Used Nuclear Fuel
  24. WNA: China's Nuclear Fuel Cycle
  25. BARC: ADVANCED HEAVY WATER REACTOR