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BN-Reaktor

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BN-Reaktor
Grundlegende Informationen
Entwicklungsland Sowjetunion
Entwickler OKBM Afrikantow
Hersteller OKBM Afrikantow
Auslegung
Reaktortyp Brutreaktor
Bauart Pool/Loop
Kühlmittel Natrium
Reaktivitätskoeffizient Leistung steigt bei Kühlmittelverlust positiv
Brennstoff
Brennstoff Uranoxid, MOX, U-Pu-Nitrid
Geometrie Hexagonal
Wechsel Im abgeschalteten Zustand
Sonstige Details
Errichtete Exemplare 3

Die BN-Reaktoren (russisch "бн" быстрых нейтронах, Bystrych Neijtronach für Schnelle Neutronen) sind eine Bauform natriumgekühlter schneller Brutreaktoren in Pool-Bauweise (mit Ausnahme des BN-350), die vom Konstruktionsbüro OKBM Afrikantow in der Sowjetunion entwickelt wurden und heute in Russland weiterentwickelt werden. OKBM Afrikantow gehört heute zu Rosatom. Das Leistungsspektrum der BN-Reaktoren reicht von 20 MWel bis 1800  MWel (geplant). BN-Reaktoren sind gegenwärtig die einzigen schnellen Brutreaktoren, welche zur kommerziellen Stromproduktion genutzt werden.

Geschichte

Der erste Reaktor dieses Typs, der BN-350, wurde in den 1960er Jahren entwickelt und 1973 im Kernkraftwerk Aktau (ehemals Schewtschenko) in der kasachischen SSR in Betrieb genommen. Als einziger Reaktor der Familie wurde er mit einem Loop-Primärkreislauf ausgeführt. Der Reaktor war zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme der leistungsstärkste schnelle natriumgekühlte Reaktor (SNR) der Welt, bis er nach knapp zwei Monaten vom französischen Phenix in dieser Rolle abgelöst wurde. Er hatte eine Leistung von 135 MW netto elektrisch und konnte zusätzlich am Tag 120.000 m3 Wasser durch Destillation entsalzen. (Ohne Entsalzung hätte man mit der zur Verfügung stehenden thermischen Leistung von 750 MW die namensgebenden 350 MW elektrisch erzeugen können.) Der Betrieb des Reaktors stellte sich als wirtschaftlich heraus, die Kapitalkosten dieses Prototyps waren allerdings unverhältnismäßig hoch. Unter anderem mit dem Ziel die Kapitalkosten zu senken, wurde ein neuer, leistungsstärkerer Reaktor entworfen, der BN-600. Der Reaktor BN-350 in Aktau ging 1994 letztmals vom Netz, unter anderem da der für den Reaktor extra gefertigte Brennstoff zu teuer war.[1]

Der erste Reaktor vom Typ BN-600 ging 1980 im Kernkraftwerk Belojarsk, in der Nähe von Swerdlowsk (heute Jekaterinburg) in der Russischen SFSR, in Betrieb. Auch dieser Kraftwerksblock war einige Jahre lang der weltweit leistungsstärkste mit einem schnellen natriumgekühlten Brutreaktor. Der Reaktor hat eine Leistung von 560 MW netto elekrisch und weist große Unterschiede zu seinen Vorgängermodell auf. Unter anderem wurde er wie alle späteren Modelle mit einem in einem Natriumpool integrierten Primärkreislauf konstruiert, zudem konnte der Abbrand des Reaktors verdoppelt werden. Die sekundären Natriumkreisläufe wurden erheblich überarbeitet und ihre Temperatur gesteigert. Damit wurde auch die Dampftemperatur von 405 °C auf 505 °C gesteigert. Man konnte zudem nicht nur die leistungsspezifischen Investitionskosten senken, sondern auch die Betriebskosten. Diese entsprechen nun etwa den Kosten eines WWER-1000.[1]

Auf Basis des BN-600 wurde ab den 1970er Jahren der BN-800 entwickelt. Im Wesentlichen ist der BN-800 eine hochskalierte, modernisierte Version des BN-600, welcher als kleine Baulinie mit insgesamt 4 baugleichen Blöcken umgesetzt werden sollte. Der BN-800 sollte an den Standorten Belojarsk und Süd-Ural zum Einsatz kommen. Der Bau am Standort Süd-Ural wurde 1993 aufgegeben. Der Bau des vierten Blocks in Belojarsk wurde zwischenzeitlich ebenfalls im Rohbauzustand aufgegeben, 2006 wurde der Bau aber mit modernisierten Plänen fortgesetzt und 2014 weitgehend abgeschlossen. 2016 wurde der Reaktor schließlich in Betrieb genommen. Das Design des BN-800 wurde zwischenzeitlich auch in Zusammenarbeit mit westlichen Experten geändert. Hauptsächlich gab es Modifizierungen in der aktiven Zone des Reaktors. Das ursprüngliche Design sah vor, so leichter die Entwicklung des BN-1600 für das Kernkraftwerk Obninsk voranzutreiben.[1]

Während der BN-800 eine direkte evolutionäre Weiterentwicklung des BN-600 ist, wurde parallel dazu an fortschrittlicheren, sicherheitstechnisch verbesserten und noch leistungsstärkeren BN-Reaktoren gearbeitet. Diese Konzepte umfassen den BN-1200, den BN-1600 und den BN-1800. Zwischenzeitlich war anstelle des BN-800 ein BN-1000 geplant, allerdings gab es Probleme mit der Hochskalierung des Kerns. Die Entwicklung des BN-1200 wurde 2017 abgeschlossen. Reaktoren dieses Typs sollen nach 2020 in den Kernkraftwerken Belojarsk und Süd-Ural errichtet werden. Gegenüber den noch größeren Versionen BN-1600 und BN-1800 bietet der BN-1200 den Vorteil, dass alle Schwerkomponenten per Bahn zur Baustelle transportiert werden können. Zudem teilt er sich einige Komponenten mit dem WWER-1200, beispielsweise den Turbogenerator.

Ein besonderer moderner Ableger der BN-Reaktoren ist der als SNR-Versuchskernkraftwerk konzipierte BN-20 mit einer elektrischen Nettoleistung von 20&nsp;MW. Dessen Design wurde an die VR-China verkauft und dort als China Experimental Fast Reactor umgesetzt.

Technische Eigenschaften

Die wichtigsten gemeinsamen Eigenschaften der BN-Reaktoren sind das schnelle Neutronenspektrum, die Verwendung von Natrium als Kühlmittel in einem Primär- und mehreren Sekundärkreisläufen sowie die Pool-Bauweise des Primärsystems (der BN-350 stellt hier eine Ausnahme dar). Ansonsten unterscheiden sie sich technisch allerdings zum Teil erheblich voneinander. Ursprünglich sollten alle Reaktoren MOX-Brennelemente verwenden. Aufgrund von Reaktivitätsproblemen wurden nach einiger Zeit beim BN-350 jedoch nur Uranoxidbrennelemente genutzt. Der BN-600 ist nicht MOX tauglich.[1] Der BN-800 ist wieder für den Einsatz von MOX geeignet. Zukünftig soll Uran-Plutonium-Nitrid-Brennstoff erprobt werden, der eine höhere Schwermetalldichte im Kern, eine höhere Brutrate und vorteilhafte Sicherheitsaspekte verspricht. Alle in Entwicklung befindlichen BN-Reaktoren sollen sowohl für den Einsatz von MOX als auch für U-Pu-Nitrid geeignet sein. Ob sich letztlich Nitrid oder Oxid durchsetzen wird, ist primär eine wirtschaftliche Frage und hängt auch von der zukünftigen Entwicklung der Wiederaufbereitungstechnik und der industrieellen Fertigungstechnik für plutoniumhaltigen Brennstoff ab. MOX-basierte Technik ist in diesem Zusammenhang etablierter und weiterentwickelt.[2][3]

Technische Daten der BN-Reaktoren:[1][3][4]

Reaktor BN-350 BN-600 BN-800 BN-1200 BN-1600 BN-1800
Elektrische Bruttoleistung 150 MW* 600 MW 800 MW 1220 MW 1600 MW 1800 MW
Brennstoff Uranoxid/MOX Uranoxid MOX/U-Pu-Nitrid MOX/U-Pu-Nitrid MOX/U-Pu-Nitrid MOX/U-Pu-Nitrid
Anreicherung 17 bis 26 % 17 bis 26 % 20 bis 30 % nicht festgelegt nicht festgelegt nicht festgelegt
Kernhöhe 1,07 m 0,75 m 0,95 m 0,85 m nicht festgelegt nicht festgelegt
Kerndurchmesser 1,52 m 2,05 m 2,47 m 5,2 m nicht festgelegt nicht festgelegt
  • BN-350 in Aktau: 150 MW+Prozessdampf

Einzelnachweise

Siehe auch