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Kernkraftwerk Visaginas

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Kernkraftwerk Visaginas
Standort
Land Flag of Lithuania.svg Litauen
Distrikt Utena
Ort Visaginas
Koordinaten 55° 36′ 21″ N, 26° 34′ 33″ OTerra globe icon light.png 55° 36′ 21″ N, 26° 34′ 33″ O
Reaktordaten
Betreiber Visagino Atominė Elektrinė
Vertragsjahr 2012
Betriebsaufnahme 2015
Geplant 1 (1250 MW)
Stand der Daten 15. Juni 2012
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Die Quellen für diese Angaben sind in der Zusatzinformation einsehbar.

Das Kernkraftwerk Visaginas (lit. Visagino atominė elektrinė, kurz VAE) ist ein geplantes Kernkraftwerk in Litauen am See Drūkšiai an der weißrussisch-litauischen Grenze, sechs Kilometer von der Stadt Visaginas entfernt. Die Anlage soll von drei Energieversorgern aus Estland, Lettland, Litauen und dem Kraftwerkshersteller Hitachi gebaut und betrieben werden.

Geschichte

Litauen war Standort des Kernkraftwerks Ignalina, welches noch zur Zeiten der Sowjetunion errichtet wurde. Die beiden Blöcke vom Typ RBMK-1500 waren ursprünglich für eine Bruttoleistung von jeweils 1500 MWe ausgelegt, wurden jedoch auf 1300 MWe (1185 MWe netto) reduziert. Litauen wurde 1991 nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Eigentümer der Anlage. Im Rahmen des EU-Beitritts musste Litauen zustimmen, das Kernkraftwerk Ignalina endgültig vom Netz zu nehmen, beginnend mit Block 1 bis ersten Januar 2005 und Block 2 bis 31. Dezember 2009. Dabei stellte die europäische Union die entsprechenden Finanzmittel zur Verfügung und um die Folgen zu bewältigen. Seitdem muss Litauen 60% seines Elektrizitätsbedarfs importieren.[1]

Planungsphase

Nachdem die Stilllegung des Kernkraftwerks Ignalina sicher war, lud Litauen im Juli 2006 die Nachbarstaaten Lettland, Estland und Polen,[2] die einen großen Teil der im alten Werk erzeugten Energie bezogen,[3] zur Kooperation für ein neues Kraftwerk ein, dass Litauen als Lösung favorisierte. Im Februar 2007 stimmten die Länder dem Plan für ein neues Kernkraftwerk mit maximal 3200 MWe Leistung neben der bestehenden Anlage zu und bewilligten ein Budget von 6,7 Milliarden Euro.[2] Der Grund weshalb ein neues Kernkraftwerk errichtet werden soll ist die Unabhängigkeit von Russland als Energielieferant in Form von Elektrizität und Gas.[4] Obwohl die Anlage in direkter Nähe zum alten Kraftwerk errichtet werden soll, wurde sie nach der nahe gelegenen Stadt Visaginas benannt.[5] Zum Betrieb wurde am 28. August 2008 die Visagino Atominė Elektrinė (VAE) gegründet,[6] welche die bereits seit 2007 von Lietuvos Energija AB begonnene Umweltverträglichkeitsprüfung fortsetzte. Untersucht wurden zwei Standorte, einer westlich des alten Kernkraftwerks, und einer östlich, der ehemals für weitere Reaktoren des Kernkraftwerks Ignalina vorgesehen war. Ziel ist es zudem die Infrastruktur des alten Kraftwerks zumindest in den Teilen zu übernehmen, beispielsweise die Nutzung der Zu- und Ablaufkanäle, elektrische Systeme und die Anschlüsse an das Elektrizitätsnetz. Ebenso soll das Umweltüberwachungsystem übernommen werden.[7] Die Umweltverträglichkeitsprüfung war im April 2009 abgeschlossen und legte die maximale Abwärme, welche in den See abgegeben werden dürfe, auf 3200 MW fest. Bei einer Blockleistung von über 1700 MWe ist deshalb ein Kühlturm notwendig. Die 11 Anlagen welche einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen wurden waren der AP600 und AP1000 von Westinghouse Nuclear, der EC-6 und ACR-1000 von AECL, von Atomstroyexport der WWER-1000/392 und WWER-1500/448, der KERENA (SWR-1000) und EPR von Areva sowie der ABWR und ESBWR von GE-Hitachi und zuletzt der APWR von Mitsubishi Heavy Industries.[8]

Im Februar 2008 kündigte Russland erstmals den Bau eines neuen Kernkraftwerks in Kaliningrad an. Die neue Anlage soll in direkter Konkurrenz mit dem Kernkraftwerk Visaginas stehen. Die Positionierung des Kernkraftwerks Kaliningrad ist absichtlich in der EU vorgenommen worden, sodass es mit dem EU-Netz synchronisiert werden könnte. Das Hauptziel dieser Anlage ist der Export von Elektrizität in andere Länder, vornehmlich in die EU. Der Standort befindet sich 50 Kilometer von der Grenze zu Litauen entfernt. RAO Lietuva hat mit Russland bereits ein Abkommen über den Import von 1000 MW nach Litauen aus dem neuen Kernkraftwerk geschlossen.[9] Des Weiteren plant auch Weißrussland nahe Ostrowets das erste eigene Kernkraftwerk zu errichten. In den Medien werden die drei Projekte in Visaginas, Kaliningrad und Ostrowets als eine Art nuklearer Wettkampf wahrgenommen. Von Litauen werden diese Projekte als Provokation wahrgenommen.[10] Zumindest gegen den größten Konkurrenten, das Kernkraftwerk Kaliningrad, reichte Litauen einen Antrag auf eine Resolution beim Europarat ein.[11]

Am 17. Juni 2009 wurde zwischen den acht Ostsee-Anrainern Estland, Lettland, Litauen, Polen, Deutschland, Dänemark, Schweden und Finnland der Baltic Energy Market Interconnection Plan (BEMIP) beschlossen. Damit soll eine bessere Anbindung der baltischen Staaten an das europäische Verbundnetz gewährleistet werden.[12] Dazu wurden mehrere Baumaßnahmen in Angriff genommen: Der Bau der 340-MW-Leitung Estlink-1, welche Estland mit Finnland verbindet, wurde 2006 begonnen und ist seit 2007 fertiggestellt. Die Baukosten von 110 Millionen Euro wurden von der EU bezuschusst. Die parallel laufende 650-MW-Leitung Estlink-2 soll bis 2014 fertiggestellt werden. Der LitPol Link mit 1000 MW zwischen Polen und Litauen soll 2015 fertiggebaut sein. 2016 wird mit der 700 MW starken NordBalt-Leitung zwischen Klaipėda in Litauen nach Nybro in Schweden der BEMIP vollendet sein.[1]

Die Ausschreibung für das Kernkraftwerk begann im Dezember 2009. Allerdings reichten bis zum Ende der Deadline am 10. November 2010 nur zwei Bewerber Angebote ein: Eines entsprach nicht den Anforderungen, das andere kam vom südkoreanischen Versorger Kepco. Dieser zog sein Angebot, einen APR-1400 zum Festpreisvertrag zu errichten, nach zwei Wochen wieder zurück.[13] Damals war vorgesehen das der Investor etwa 51% an der Anlage hält, und der Rest sich auf Litauens Lietuvos Energija, Lettlands Latvenergo, Estlands Eesti Energia und Polens Polska Grupa Energetyczna (PGE) verteilt. Allerdings waren Estland und Lettland bereits damals unzufrieden, nur eine Minderheitenposition zu erlangen.[8] Als Konsequenz zog sich Polens Polska Grupa Energetyczna (PGE) im Dezember 2011 aus dem Bauvorhaben zurück, um in Polen eigene Kernkraftwerke zu errichten.[14]

Im Mai 2011 wurden neue Angebote von Westinghouse (AP1000) und GE-Hitachi (ABWR) eingeholt.[8] Im Juni stellten Delegationen der beiden Investoren ihre Angebote den Premierminister Kubilius, der Kommission für das neue Kernkraftwerk, Repräsentanten der EU und den regionalen Partnern Estland, Lettland und Polen vor.[15] Im Juli wurde der ABWR von GE-Hitachi zum Sieger („strategischer Investor“) erklärt.[16] Der litauische Premierminister Andrius Kubilius besuchte im Februar 2012 das Kernkraftwerk Shimane in Japan, dessen neuster Block 3 vom Typ ABWR im Dezember 2011 fertiggebaut wurde.[17] Die Konzession das Kraftwerk zu konstruieren, zu bauen, zu betreiben und wieder rückzubauen wurde am 30. März 2012 mit Hitachi unterzeichnet, rechtliche Fragen wurden ebenfalls geklärt.[18]

Referendum

Litauen hielt am 14. Oktober ein nicht bindendes Referendum über das Projekt ab. Dies wurde vom Parlament des Landes mit 62 zu 39 Stimmen und 18 Enthaltungen beschlossen. Zuvor erteilte das Parlament am 25. Juni mit 70 zu 2 Stimmen und 2 Enthaltungen dem Projekt seine Zustimmung.[19] Die Formulierung lautet: „Ich unterstütze den Bau eines neuen Kernkraftwerks in der Republik Litauen.“ (Pritariu naujos atominės elektrinės statybai Lietuvos Respublikoje), mit den Antwortmöglichkeiten Ja (taip) und Nein (ne). Bulgarien plant diese Fragestellung für das Referendum über das Kernkraftwerk Belene zu adaptieren.[20] Nach der Auszählung der Parlamentsstimmen wurden die Stimmen für das Referendum ausgezählt. Die Wahlbeteiligung am Referendum wurde anhand der Wahlbeteiligung der Parlamentswähler bestimmt.[21] Insgesamt waren 2.588.557 Bürger aufgerufen zu wählen, von denen sich 52,46 % (1.322.530 Personen) auch am Referendum beteiligten, weshalb damit das Referendum rechtsgültig ist. Von den insgesamt teilgenommenen Stimmen waren 96,75 % (1.279.5846 Stimmen) gültig, 3,25 % (42.946 Stimmen) ungültig. Die Wähler stimmten zu 35,16 % (449.490 Stimmen) für den Bau des Kernkraftwerks, 64,84 % (829.644 Stimmen) gegen den Bau des Kernkraftwerks.[22] Während die meisten Landkreise gegen das Kernkraftwerk stimmten kamen die meisten pro-Stimmen wie zu erwarten war aus der Region um Visaginas.[21] Die primären Gründe, weshalb die meisten Litauer gegen das Kernkraftwerk gestimmt haben waren, dass das Projekt zu teuer und zu groß für das Land schien, weniger aufgrund einer ideologischen Grünen-Bewegung. Auch die Parteien, die gegen das Kernkraftwerk Visaginas waren machten klar, dass sie nicht gegen Kernenergie an sich sind, sondern lediglich das aktuelle Projekt in Visaginas für zu kostenintensiv halten und daher den Bau dieses Kernkraftwerks ablehnten.[23]

Reaktionen auf Referendum

Estland erklärte nach dem Referendum, dass es auf eine Entscheidung der neuen Regierung über das Kernkraftwerksprojekt abwarte und vorher keine endgültige Entscheidung, ob das Land über Esti Energija sich an dem Kernkraftwerksprojekt beteiligen werde, fällen werde. Allerdings ist für Estland das Kernkraftwerke durchaus eine wichtige Alternative für den Energiemix in der Region.[24] Auch Lettland gab bekannt, dass es weiterhin an der Beteiligung an dem Kernkraftwerk Visaginas interessiert sei, verstehe aber, dass das neue Parlament in Litauen das letzte Wort darüber habe.[25] Seitens Krisjanis Karins, Parlamentarier im europäischen Parlament sollte Lettland langsam über Alternativen für das Kernkraftwerk Visaginas erörtern aufgrund des Ergebnisses des Referendums. Laut Karins führe das Referendum zwangsläufig dazu, dass die Umsetzung des Projekts in Visaginas nachhaltig verlangsamt werde. Allerdings sehe er die Wichtigkeit einer Energieunabhängigkeit, da ähnlich wie in Litauen der russische Gasmonopolist Gazprom eine starke Lobby in Lettland habe.[26]

Algirdas Butkevičius, Sozialdemokratischer Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten, erklärte, dass er das Referendum respektieren wolle und keine Genehmigung für das Kernkraftwerk Visaginas geben werde, schloss allerdings die Etablierung neuer Kernkraftwerke in Litauen nicht aus, zumal auch die Sozialdemokratische Partei der Kernenergie nicht abgeneigt sei. Aus der infrastrukturellen Sicht her gesehen hielte er den Bau eines zukünftigen Reaktors in Elektrėnai für sinnvoller, nahe dem bestehenden Öl- und Gaskraftwerk, als im eher abgelegenen Visaginas. Allerdings wolle man abwarten, bis fortschrittlichere Reaktoren bei der Nuclear Regulatory Comission in den Vereinigten Staaten von Amerika, nach dessen Lizenzvorgaben sich Litauen richtet, lizenziert wurden.[27] Die baltischen Minister von Lettland, Estland und Litauen sprachen sich allerdings weiterhin für das Kernkraftwerk aus, da es für alle baltischen Staaten gemeinsam ein wichtiges Projekt sei hinsichtlich Energieversorgung, Energiesicherheit und Wirtschaftlichkeit. Der litauische Außenminister Audronius Ažubalis unterstrich, dass die Stornierung des Kernkraftwerk dazu führen würde, dass die gemeinsamen Wege, die mit der Europäischen Kommission und den Vereinigten Staaten von Amerika beschlossen wurden, nicht mehr gehalten werden könnten, und bei internationalen Partnern zu Missverständnissen führen würden.[28]

Seitens Litauen wurde die Haltung infolge des weiteren Willens der Nachbarländer das Projekt zu realisieren der Kurs etwas abgeändert. In der Folge hielt es die Regierung für angebracht übereilte Entscheidungen über die Stornierung des Kernkraftwerks zurückzustellen, weshalb eine Arbeitsgruppe zur Prüfung der nationalen Energiestrategie zur unabhängigen Versorgung zusammengestellt wurde, die neben der Entwicklung erneuerbarer Energie auch eine Kostenstudie über das Kernkraftwerk ausarbeiten sollte,[29] die bis Mai 2013 veröffentlicht wird.[30] Eine entsprechende Ankündigung machte der neue litauische Energieminister Jaroslav Neverovič, der selbst der Ansicht sei, dass eine Balance im Energiemix aus Kernenergie, Wind und Solar der beste Weg sei. Neverovič erklärte weiter, dass das Kernkraftwerk Visaginas noch nicht storniert sei und möglicherweise trotzdem errichtet werden würde, auch unter der neuen Mitte-Links-Regierung. Allerdings stellte der Minister die Bedingung, dass das Kernkraftwerk zu konkurrenzfähigen Preisen errichtet werde und das Projekt als regionales Projekt, nicht als nationales Projekt geführt werden. Durch die Änderung in ein regionales Projekt könnten zusätzliche Investoren gefunden werden und das Projekt würde zusätzlich durch die Europäische Union finanziell gestützt. Sollten diese Grundbedingungen mit dem Projekt übereinstimmen, so würde man das Kernkraftwerk Visaginas ernsthaft als Projekt in Betracht ziehen.[29]

Laut Juozas Olekas, stellvertretenden Vorsitzender der sozialdemokratischen Partei, solle ein weiteres Referendum zum Kernkraftwerk stattfinden, sofern eine entsprechende Machbarkeitsstudie zeige, dass das Kernkraftwerk vorteilhaft für Litauen sei. Die entsprechende Fakten wolle man der Bevölkerung offenlegen und anschließend erneut abstimmen lassen. Man gehe davon aus, dass neue Zahlen zum Projekt mehr Einblick in die Planungen geben könnten und man die bisherigen Bedenken, die zu dieser Entscheidung der Bevölkerung beim Referendum zuvor geführt haben, mit berücksichtigen kann. Algirdas Butkevičius solle in der Folgezeit entsprechende weitere Ankündigungen in diese Richtung machen. Dalia Grybauskaitė, Präsidenten Litauens erklärte dazu, dass Litauen das Kernkraftwerk benötige, da es nicht genug Geld habe um die Energie alleine aus erneuerbaren Energiequellen zu beziehen. Falls die entsprechenden Entscheidungen fallen sollten, dass man das Kernkraftwerk doch errichten wolle, werden die Schritte für ein erneutes Referendum eingeleitet.[31]

Seitens Rosatom wurde Litauen immer wieder eingeredet, dass man das Projekt in Visaginas aufgeben sollte, zugunsten einer Beteiligung am Kernkraftwerk Kaliningrad. Am 22. Februar 2013 gab der russische Staatskonzern Rosatom allerdings bekannt, dass man auch bereit sei sich an dem Kernkraftwerksprojekt in Visaginas zu beteiligen. Ein etwaiges Treffen mit dem litauischen Ministerpräsidenten Algirdas Butkevičius sollte in den folgenden Tagen organisiert werden. Bereits im Vorfeld gab es Gerüchte darüber, dass es im Geheimen Verhandlungen zwischen Litauen und Rosatom gegeben habe. Der Fernsehsender TV3 konnte recherchieren, dass die Verhandlungen im Vier-Sterne-Hotel Mabre Residence in der Hauptstadt Wilna stattfanden. Die Kamerateams wurden für weitere Recherchen dorthin geschickt und man konnte tatsächlich Botschaftler der russischen Föderation und hohe Beamte aus der litauischen Politik vorfinden, die in das Projekt involviert sind, allerdings nach Auffliegen des Kamerateams die Flucht ergriffen. Für eine endgültige Entscheidung, ob sich das Unternehmen beteiligen darf, müsse man sich allerdings auch mit Estland und Lettland absprechen, die bereits zeigen ließen, dass man keinen Handel mit Rosatom wolle.[32] Laut einem Sprecher von Rosatom würde Visaginas allerdings nicht als Grundlastanlage betrieben werden, sondern vornehmlich zur Deckung der groben Lastfolge. Das Werk wäre damit eine Ergänzung des Kernkraftwerks Kaliningrad, dass als Grundlasterzeuger die Energie für die Region liefern würde, während Visaginas nur als Reservekapazität bei Bedarf dienen würde. Der Ministerpräsident Algirdas Butkevičius äußerte sich dazu und hielt die Idee für positiv und erklärte, dass er sich mit seinen Amtskollegen in Estland und Lettland absprechen wolle. Konkrete Pläne im Bezug auf die Zusammenarbeit gibt es allerdings nicht, stellte der Ministerpräsident fest. Auch im Bezug auf die Gelder, die möglicherweise ins Ausland nach Russland fließen würde, äußerte er sich kritisch. Bei einer Ansiedlung eines Regionalsitzes in Litauen wäre die Sachlage allerdings besser.[33]

Am 22. April 2013 verkündete Algirdas Butkevičius das Ergebnis der Studie, die ehemals bis Mai 2013 spätestens evaluiert werden sollte. Man wolle zwar an dem Ausbau der eigenen Kernkraftwerkskapazitäten weiterhin festhalten, allerdings das Projekt in Visaginas unter anderen Kostenbedingungen umsetzen. Entsprechend dazu wurden seitens Butkevičius und Vertretern von Hitachi direkte Gespräche begonnen. Eine endgültige Entscheidung zu dem Projekt wird allerdings erst frühstens 2015 fallen, wenn die Lizenzierung des ABWR abgeschlossen ist. Die entsprechende Zukunft des Projekts hängt auch letztlich von Lettland und Estland ab, ob diese Länder bei diesen Vertragsbedingungen finanziell mitziehen würden.[34] Eine Umsetzung des bestehenden Projekts mit den bekannten Parametern schloss Butkevičius allerdings sicher aus, was die Studie eindeutig belegte.[35] Im Juli 2013 traf sich der litauische Energieminister Jaroslav Neverovich mit dem stellvertretenden Präsidenten von Hitachi, Koji Tanaka, zu einer Unterredung in Wilna. Dabei wurde die Wichtigkeit der Verbesserung der finanziellen Parameter des Projekts unterstrichen die nötig seien, dass das Werk errichtet werde. Bereits zuvor gab es drei weitere Treffen mit den Regierungschefs der baltischen Staaten, in denen die Entwicklung des Projekts im Vordergrund stand. Im Bezug auf die Wirtschaftlichkeit des Projekts und etwaigen neuen finanziellen Parametern sollte der litauischen Regierung bis zum 1. Oktober 2013 ein Gutachten vorliegen.[36] Entsprechend auf dieser Basis sollte noch im gleichen Monat eine Entscheidung über die Umsetzung des Projekts seitens der Regierung gefällt werden. Hitachi ist es allerdings als strategischer Investor, der ebenfalls an dem Werk beteiligt wäre, sehr ernst, das Projekt zu guten finanziellen Konditionen umzusetzen. Der Außenminister Litauens lobte dieses Verhalten. Shinichi Yokoyama, Co-Vorsitzender des Verbandes der japanischen Wirtschaftsorganisationen kritisierte allerdings, dass Litauen trotz des bereits endgültigen unterzeichneten Abkommens für das Werk das Projekt weiter verzögere. Herr Yokohama machte darauf aufmerksam, dass weitere Verzögerungen zu einer Belastung der Beziehungen zwischen Japan und Litauen führen könnten.[37]

Am 17. Oktober 2013 erklärte Dalius Misiunas, Geschäftsführer des Versorgers Lietuvos Energija, dass die Mehrheit am Kernkraftwerk Visaginas hält, dass man die finanzielle Situation analysiert habe und große Verbesserungsmöglichkeiten gefunden habe die ökonomischen Parameter und die Finanzierung zu verbessern. Der finanzielle Anteil, den Litauen für den Bau beisteuern müsste, würde damit stark reduziert werden. Unter anderem konnte man bessere Konditionen für einen etwaigen Kredit aushandeln, sowie durch die Transferierung des Kredits von Hitachi zu einem anderen Investor die Zinsen noch weiter drücken. Der litauische Energieminister Jaroslav Neverovich kündigte daraufhin an, dass man die Verhandlungen mit den Firmen auf zwischenstaatlicher Ebene führen werde.[38] Aufgrund dieser stark verbesserten finanziellen Parameter und der Überarbeitung des Projekts in den letzten Monaten kündigte der Premierminister Algirdas Butkevičius an, dass ein weiteres Referendum vonnöten sein wird auf Basis der neuen ökonomischen Parameter des Projekts. Die parlamentarische Sprecherin Loreta Graužinienė erklärte allerdings, dass es auch möglich wäre nur eine groß angelegte Umfrage durchzuführen anstatt eines Referendums.[39]

Am 31. Juli 2014 unterzeichnete Hitachi mit dem litauischen Energieministerium eine Absichtserklärung über die gemeinsame Etablierung eines Zwischenprojekts zur Realisierung der Anlage. Dies sehe vor ein gemeinsames Unternehmen Ende des Jahres 2014 zu gründen, auf deren Basis die Planungen fortgeführt werden sollen.[40] Anteilseigner sollen mit 38 % Litauen, 22 % Estland, 20 % Lettland und 20 % Hitachi seien, wobei Litauen als Standortland die Mehrheit halten wird.[41] Der litauische Energieminister Jarosław Niewierowicz plante deshalb in den folgenden Tagen eine Reise nach Lettland um deren Bestätigung zu holen. Nach Plan sollen bereits neue Vereinbarungen mit Hitache im September 2014 unterzeichnet werden.[42]

Kosten

Die Finanzierung des Kernkraftwerks erfolgt nach dem finnischen Mankala-Modell (engl.: Mancala model): Die Investoren erhalten den Strom zum Erzeugerpreis gemäß den Anteilen, welche sie am Kraftwerk halten.[43] Die Anteile betragen 38% für VAE (Litauen), 22% für Eesti Energia (Estland), sowie jeweils 20% für Latvenergo (Lettland) und den privaten Investor Hitachi.[44] Die Investitionskosten für das 1250-MW-Kraftwerk sollen bei 11-14 Mrd. Litauischer Litas (€ 3,18-4,05 Mrd.) liegen. Die Gesamtinvestitionen in das Kraftwerk inklusive Netzanschluss, Straßen und Bauplatz sollen bis zu LTL 17 Mrd. (€ 4,92 Mrd.) kosten.[1] Allein der Bauplatz soll laut Vertrag mit mindestens 50 Mio. Euro zu Buche schlagen.[45] 30% des Projektwertes sollen der lokalen Wirtschaft zu­gu­te­kom­men.[46] Eesti Energia und Latvenergo werden jeweils 1 Milliarde Euro in das Projekt investieren.[8]

Die Stromgestehungskosten sollen laut VAE bei LTL 18,3 ct/kWh (€ 5,3 ct/kWh) im Jahr 2020 liegen, und um 1% pro Jahr steigen. Wie lange es dauert, bis die Anlage abgeschrieben ist, hängt somit von der Inflation ab. Im Businessplan wird von 8-12 Jahren ausgegangen, mit einem Return on Investment von 8-12% innerhalb dieser Zeit. Die Betriebs- und Wartungskosten eines ABWR liegen bei LTL 3,8-5,9 ct/kWh (€ 1,1-1,7 ct/kWh), zuzüglich LTL 2,1-3,1 (€ 0,6-0,89 ct/kWh) für den Kernbrennstoff und LTL 0,8-1,1 ct/kWh (€ 0,23-0,31 ct/kWh) für Rückbau und Entsorgung.[47] Die Stromgestehungskosten eines abgeschriebenen ABWR betragen damit etwa € 2,5 ct/kWh, bezogen auf das Jahr 2020.

Bau

Der Baubeginn ist momentan (2012) auf 2015 terminiert.[1] Zur Beratung in technischen Fragen wurde am 9. Dezember 2011 Exelon Nuclear Partners, LLC von den drei Nationen ausgewählt.[48] Die Anlage soll zwischen 2020 und 2022 fertiggestellt werden.

Standortdetails

Der Standort befindet sich östlich des Kernkraftwerks Ignalina und nordöstlich des ehemals projektierten dritten Blocks. Die Turbinenhalle und der Kühlwasserzulauf sollen westlich angeordnet werden mit einer länglichen Ausrichtung von Norden nach Süden. Östlich der Turbinenhalle befindet sich das Reaktorgebäude. Darunter angegliedert sind die Hilfs- und Verwaltungsgebäude des Kernkraftwerks. Die Gebäude sind so angeordnet, dass in der Zukunft ein weiterer zweiter Block südlich des Werkes angebaut werden könnte und die Verwaltungs- und Hilfsgebäude zusammen mit dem ersten Block nutzen könnte.

Bestandsmauer Kernkraftwerk IgnalinaKühlwasserpumpenhausTurbinenhalleReaktorgebäude
Über dieses Bild
Grundplan des Kernkraftwerks Visaginas, Gebäudebeschreibung per Mouseover

Daten der Reaktorblöcke

Das Kernkraftwerk Visaginas soll einen ABWR erhalten. Ob ein weiterer Block folgt ist unklar: Nach den Plänen der litauischen Politik soll der Strombedarf des Landes im Jahr 2020 zu 29% aus Kernkraft gedeckt werden, sowie 23% aus regenerativen Quellen. Allerdings sollen immer noch 24% aus dem Osten (also Russland) und weitere 24% „aus anderen Quellen“ importiert werden.[1] Der Bedarf an einem zweiten Block wäre also gegeben, und wurde in den Umweltverträglichkeitsprüfungen bereits berücksichtigt.

Reaktorblock[49] Reaktortyp Leistung Baubeginn Netzsyn-
chronisation
Kommer-
zieller Betrieb
Stilllegung
Typ Baulinie Netto Brutto
Visaginas-1 SWR ABWR ~1250 MW 1358 MW 2015 >2020 >2020 >2080

Einzelnachweise

  1. a b c d e VAE: Main Facts about the Visaginas NPP Project
  2. a b Carolyn Bain: Estland/ Lettland/ Litauen, Ausgabe 2. In: Lonely Planet. Lonely Planet, 2010. ISBN 3829716664.
  3. Wochenbericht, Band 65. 1998.
  4. Mez Lutz/de Haan G/Gerhold L (Hrsg.): Atomkraft als Risiko. Peter Lang. ISBN 3631558279.
  5. WNN: Visaginas recognised with nuclear site name
  6. VAE: About the company
  7. Environmental Impact Assessment Report New Nuclear Power Plant in Lithuania (Final Report). 27. März 2009. (Online Version, englisch)
  8. a b c d WNA: Nuclear Power in Lithuania
  9. World Nuclear Association: Nuclear Power in Russa. Abgerufen am 16. Juli 2011. (Webpräsenz)
  10. Vaida Pilibaityte: Nuclear Energy Discourses in Lithuania and Belarus. Budapest, Mai 2010. (Online-Version, englisch).
  11. Litauen klagt gegen Atommeiler in Kaliningrad. In: Russland Aktuell, 30. April 2010. (Online-Version)
  12. European Commission: Energy infrastructure – Baltic Energy Market Interconnection Plan (BEMIP)
  13. WNN: Tender for new Lithuanian plant investor stalls
  14. WNN: PGE keeps sights set on Poland
  15. VAE: NUCLEUS#12
  16. WNN: Hitachi-GE wins Lithuanian nuclear tender
  17. the Lithuania Tribune: Andrius Kubilius on the Shimane NPP: greatest attention to safety
  18. VAE: NUCLEUS#18
  19. WNN: Parliamentary blessing for Visaginas
  20. Novinite: Bulgaria May Follow Lithuania with Vote on Nuclear Plant, 04.10.2012. Abgerufen am 07.10.2012. (Archivierte Version bei WebCite)
  21. a b Lrytas: Referendumas įvyko: lietuviai Visagino atominei elektrinei sako „ne“, 15.10.2012. Abgerufen am 15.10.2012. (Archivierte Version bei WebCite)
  22. ElectionGuide: Eletion profile for Lithuania: Referendum - Results, 18.10.2012. Abgerufen am 24.01.2013. (Archivierte Version bei WebCite)
  23. Frankfurter Allgemeine: Hier und heute, 16.10.2012. Abgerufen am 17.10.2012. (Archivierte Version bei WebCite)
  24. The Baltic Course: Estonia to wait decisions of Lithuania new parliament on NPP, 22.10.2012. Abgerufen am 22.10.2012. (Archivierte Version bei WebCite)
  25. The Baltic Times: PM: Latvia still interested in implementation of Visaginas NPP project, 16.10.2012. Abgerufen am 22.10.2012. (Archivierte Version bei WebCite)
  26. The Baltic Course: Karins: Latvia must begin to think about alternatives to Visaginas NPP, 22.10.2012. Abgerufen am 22.10.2012. (Archivierte Version bei WebCite)
  27. Delfi: A.Butkevičius atominę perkeltų iš Visagino į Elektrėnus, 08.11.2012. Abgerufen am 08.11.2012. (Archivierte Version bei WebCite)
  28. Bloomberg: Baltic Ministers Express Support for Nuclear Plant in Lithuania, 09.11.2012. Abgerufen am 08.11.2012. (Archivierte Version bei WebCite)
  29. a b 15min.lt: Lithuania's energy minister hints Visaginas NPP project will not be scrapped, 08.01.2013. Abgerufen am 16.01.2013. (Archivierte Version bei WebCite)
  30. The Lithuania Tribune: “The Visaginas NPP project could be developed only if it gains a regional status” – Latvian PM, 14.01.2013. Abgerufen am 16.01.2013 (Archivierte Version bei WebCite)
  31. The Baltic Course: Lithuania Defmin agrees with Grybauskaite's idea on another NPP referendum, 24.01.2013. Abgerufen am 24.01.2013. (Archivierte Version bei WebCite)
  32. Delfi: Kremliaus valdomas „Rosatom“ nori įsilieti į Visagino AE projektą, 22.02.2013. Abgerufen am 22.02.2013. (Archivierte Version bei WebCite)
  33. Delfi: A.Butkevičius: „Rosatom“ atstovai labai suinteresuoti Kruonio hidroakumuliacine elektrine, 23.02.2013. Abgerufen am 22.02.2013. (Archivierte Version bei WebCite)
  34. World Nuclear News: Butkevičius negotiates on Visaginas, 23.04.2013. Abgerufen am 24.04.2013. (Archivierte Version bei WebCite)
  35. Baltic Times: Lithuanian PM: Visaginas NPP project cannot be implemented, 23.04.2013. Abgerufen am 24.04.2013. (Archivierte Version bei WebCite)
  36. The Baltic Course: Neverovich: NPP project to be continued only after improving conditions, 19.07.2013. Abgerufen am 11.08.2013. (Archivierte Version bei WebCite)
  37. The Baltic Times: Nuclear power plant decision expected only in October, 24.07.2013. Abgerufen am 11.08.2013. (Archivierte Version bei WebCite)
  38. Baltic Course: There is a potential to improve conditions for Visaginas NPP, 17.10.2013. Abgerufen am 26.10.2013. (Archivierte Version bei Archive.is)
  39. The Baltic Times: Nuclear power plant referendum reconsidered, 18.10.2013. Abgerufen am 26.10.2013. (Archivierte Version bei Archive.is)
  40. Российское атомное сообщество: Hitachi и Литва договорились о создании предприятия для строительства АЭС, 31.07.2014. Abgerufen am 31.07.2014. (Archivierte Version bei WebCite)
  41. The Japan News: Hitachi in Lithuania N-plant project talks, 31.07.2014. Abgerufen am 31.07.2014. (Archivierte Version bei WebCite)
  42. Российское атомное сообщество: Министр энергетики Литвы обсудит с латвийским коллегой проект новой АЭС, 31.07.2014. Abgerufen am 31.07.2014. (Archivierte Version bei WebCite)
  43. VAE: About the Project
  44. WNN: Eastern European projects gather momentum
  45. CONCESSION AGREEMENT WITH THE STRATEGIC INVESTOR AND PROJECT COMPANY IN RELATION TO THE VISAGINAS NEW NUCLEAR POWER PLANT PROJECT
  46. VAE: Business
  47. VAE: NUCLEUS#19 (englisch)
  48. Exelon: Exelon Nuclear Partners Signs Consulting Agreement
  49. Power Reactor Information System der IAEA: „Lithuania, Republic of“ (englisch)