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Kernheizwerk Nošovice

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Kernheizwerk Nošovice
Das heute von der Hyundai Motor Company genutzte Gelände war ehemals für das Kernheizwerk als Standort vorgesehen
Das heute von der Hyundai Motor Company genutzte Gelände war ehemals für das Kernheizwerk als Standort vorgesehen
Standort
Land Tschechien
Region Mährien-Schlesien
Ort Nošovice
Koordinaten 49° 39′ 46″ N, 18° 26′ 41″ O 49° 39′ 46″ N, 18° 26′ 41″ O
Reaktordaten
Pläne storniert 2 (600 MW)
Zusatzfunktion Fernwärme
Die Quellen für diese Angaben sind in der Zusatzinformation einsehbar.

Das Kernheizwerk Nošovice (tschechisch Jaderná Výtopna [JV] Nošovice) sollte nahe der tschechischen Ortschaft Nošovice entstehen für die Fernwärmeversorgung des Ostrava-Karviná-Becken. Die Planungen für das Kernheizwerk begannen Anfang der 1980er als möglicher Ersatz für eine Nichteignung des Standortes Blahutovice aufgrund negativer seismischer Bedingungen. Untersuchungen bis 1987 bestätigten die Eignung des Standorts Blahutovice, womit die Planungen für das Kernheizwerk Nošovice eingestellt wurden.

Geschichte

Im Jahr 1975 gab es in der Tschechoslowakei für Prag-Holešovice und Brünn erste Planungen für Kernheizkraftwerke. Langfristig sah man auch die Option solche Anlagen auch in anderen Städten zu errichten, wobei Ostrava hier berücksichtigt wurde für das Beheizen von Wohnsiedlungen, als auch die Bereitstellung von Prozessdampf für die ansässigen Industrieunternehmen.[1] Eine Realisierung eines solchen Projekts sah man für Ostrava allerdings frühstens im Jahr 1995, da die Leichtwasserreaktoren, die zu diesem Zeitpunkt eingesetzt wurden, nur begrenzt Heißdampf für die Stahlverhüttung liefern konnte. Deshalb hat man auf die Entwicklung von geeigneten Hochtemperaturreaktoren gewartet, die Heißdampf mit 1000 °C bereitstellen zu können.[2] Zwar wurde zwischen 1975 und 1976 eine Untersuchung eines entsprechenden Kernheizkraftwerkes für Ostrava durchgeführt, allerdings als Ergebnis bestätigt, dass die damals erwogenen Druckwasserreaktoren des Typs WWER-440 und WWER-1000 für die Verhüttung von Stahl keine Rolle spielen können. Entsprechend wurde die Umsetzung eines Projektes mit Wärmeauskopplung auf unbestimmte Zeit verschoben.[3][4]

Planung für Kernheizwerk

Mit dem Abschluss der Standortstudie für das Kernkraftwerk Nordmähren, das für den Standort Blahutovice südwestlich von Ostrava bei Nový Jičín bestimmt wurde, gab es im Anschluss eine Studie für die Wärmeversorgung des Ballungsraums Ostrava-Karviná. Während der Standortsuche für das nordmährische Kernkraftwerk wurden seitens des ausführenden Instituts TERPLAN auch potenzielle Standorte für Kernheizwerke ermittelt, da man davon ausging, dass bis Ende der 1980er die Fernwärmekapazität der bestehenden Heizwerke und anderen Wärmequellen praktisch den Bedarf unterschreitet. Auf Basis der Standortsuche wurde daher ein Gelände an den Ortschaften Drobrá und Nošovice gewählt und mit den Planungen für das Kernheizwerk Nošovice mit zwei Reaktoren des Typs AST-300 begonnen, die zusammen rund 600 MW thermische Leistung zur Verfügung stellen sollten. Mit dem Bau des Kernkraftwerks Blahutovice sollte das Kernheizwerk Nošovice zusammen den Bedarf ab dem Jahr 2000 vollständig decken können mit einem möglichen verbundenen Heizsystem von Ostrava und Kraviná, die bisher getrennt voneinander betrieben wurden.[5]

Eine Kostenstudie 1983 offenbarte allerdings, dass der Betrieb des Kernkraftwerks Blahutovice parallel mit dem Kernheizwerk Nošovice zu einer Preissteigerung der Wärmekosten um rund 50 % führen würde, weshalb eine Studie des ortsansässigen Energieforschungsinstitut in Ostrava aufzeigte, dass die Wärmebereitstellung aus dem Kernkraftwerk Blahutovice preiswerter ist durch eine höhere Ausnutzung der Anlage, während die Kapitalkosten für den Bau des Kernkraftwerks, als auch des Kernheizwerkes Nošovice und deren Materialverbrauch praktisch identisch ist. Unter diesen Voraussetzungen wurde daher der Bau des Kernkraftwerks Blahutovice forciert, allerdings mit der Berücksichtigung, dass aufgrund von Bedenken bezüglich der seismischen Stabilität der Bau der Anlage nicht gesichert ist. Daher wurden die Planungen für das Kernheizwerk Nošovice entsprechend fortgeführt, allerdings als Variante. Zusätzlich sah man vor auch nur unter der Voraussetzung des Baus des Kernheizwerks Nošovice eine entsprechende Kopplung der Fernwärmenetze von Ostrava und Karviná vorzusehen, da das Fernwärmenetz von Karviná bis zum Jahr 2000 praktisch in der Bilanz vollständig mit den vorhandenen Heizwerken und Heizkraftwerken versorgt werden kann.[5] Dennoch sahen die Prognosen, dass eine ernste Mangellage in Ostrava entstehen könnte durch den Wegfall konventioneller Wärmeerzeuger.[6]

Mit dem Bau der Anlage sollte 1990 begonnen werden[5] mit einer Betriebsbereitschaft im Jahr 1995[7] oder 2000.[5] Bei der Anlage sollte es sich um das erste reine Kernheizwerk der Tschechoslowakei handeln und die erste Anlage mit Reaktoren des Typs AST-300.[7] Die Anlage war nicht nur das erste reine Kernheizwerk in der Tschechoslowakei, das in die aktive Planungsphase eintrat, sondern auch das einzige Projekt seiner Art, das bis zum Jahr 2000 umgesetzt werden sollte.[6] Der Grund hierfür war, dass der Einsatz von großen Kernheizwerken des Typs AST-500 und AST-300 in der Tschechoslowakei begrenzt war, weshalb man erst mit dem Bau weiterer Anlagen fortfahren wollte, wenn man kleinere Varianten mit 100 bis 200 MW thermischer Leistung entwickelt hat.[7]

Bis 1987 war der Bau des Kernkraftwerks Blahutovice durch Abschluss der Untersuchungen über die seismischen Eigenschaften des Standortes abgeschlossen worden und die Eignung des Standortes Blahutovice festgestellt worden. Durch Optimierungen der Projektion konnte die Fernwärmeauskopplung aus dem Kernkraftwerk gesteigert werden und die Planung neuer Fernwärmenetze ergänzt werden.[8] Dies machte den Bau des Kernheizwerks Nošovice letztlich überflüssig. Noch 1987 begannen die Vorbereitungen für die Einbindung des Kernkraftwerks Blahutovice in das Fernwärmenetz von Ostrava.[9]

Standortdetails

Das Kernheizwerk Nošovice sollte nach den ursprünglichen Planungen im Verbund, nach späteren Planungen als Alternative zum Kernkraftwerk Blahutovice eingesetzt werden. Die Einspeisung der thermischen Leistung sollte am Zellstoffwerk Paskov erfolgen, wo auch die Verteilung der Fernwärme in die Versorgungszentren nach Ostrava, Karviná, Frýdek-Místek und Nový Jičín erfolgt. Durch den Einsatz des Kernheizwerks allein sollte durch dessen hohe Auslastung eine Abregelung der Reaktoren von 10 % nicht überschritten werden, wodurch eine hohe Volllastausnutzung erreicht worden wäre, während andere konventionelle Kraftwerke stattdessen ihre Leistung reduziert hätten und vornehmlich Kohle gespart hätten. Obwohl das Kernheizwerk nicht als Optimallösung galt und eher eine Kraft-Wärme-Kopplung mit dem Kernkraftwerk Blahutovice bessere wirtschaftliche Bedingungen gebracht hätte, zeigte die Prognose für das Jahr 2000 unter der Annahme von 1983 mit einer minimalen Wärmeauskopplung von 389 MW aus dem Kernkraftwerk Blahutovice, dass der Bedarf der Fernwärme nicht gedeckt hätte werden können. Dies wäre nur möglich gewesen durch den Bau des Kernheizwerks Nošovice oder bei Betrieb im Verbund. Die Vergleichsrechnung ist in der darunterliegenden Tabelle aufgeführt.[5] Das Problem löste man praktisch erst im Jahr 1988 mit der Entscheidung, die Fernwärmeauskopplung aus dem Kernkraftwerk Blahutovice auf 2400 bis 2600 MW zu erhöhen, womit praktisch mehr als zwei Drittel des Wärmebedarfs alleine durch die beiden WWER-1000 in Blahutovice gedeckt hätte werden können. Der Nachteil war allerdings, dass aufgrund der Größe der Wärmequelle die Ausfallmarge für einen Block oder eines anderen Heizwärmeerzeugers im Fernwärmenetz eine kritische Situation verursachen könnte, weshalb die Betriebsmargen relativ eng gehalten wurden.[10]

Erzeugung Verbrauch Karte
Kürzel Anlage MW Nr. Wärmezentrum MW
Prinzipschaltbild des Fernwärmenetzes im Ostrava-Karvina-Becken mit einer Prognose für das Jahr 2000 und den möglichen Aufbauten mit dem Kernkraftwerk Blahutovice und Kernheizwerk Nošovice, inklusive Trassenverlauf bei geplanten Bau des Kernheizwerks (schwarz gestrichelt)
Raum Ostrava
ETB Heizkraftwerk Třebovic 895 O1 Martinov 83
EVÚ Heizkraftwerk Vítězný únor (Přívoz) 120 O2 Poruba 368
VŽSKG Heizkraftwerk Vítkovice 56 O3 Zentrum 533
NHKG Stahlwerk 163 O4 Šalamouna 144
SPA Müllverbrennungsanlagen 45 O5 Jižní Město 468
Erzeugung: 1279 MW Verbrauch: 1596 MW
Saldo -317 MW
Raum Karviná
EDĚ Heizkraftwerk Dětmarovice 567 K1 Orlová 170
CSM Kohlemine 74 K2 Karviná 502
PTV Petřvald 440 K3 Havířov 410
Erzeugung: 1081 MW Verbrauch: 1082 MW
Saldo -1 MW
Raum Frýdek-Místek/Nový Jičín
ZP Zellstoffwerk Paskov 135 F1 Frýdek-Místek 355
VFM Heizwerk Frýdek-Místek 148 F2 Príbor 40
F3 Nový Jičín 120
Erzeugung: 283 MW Verbrauch: 515 MW
Saldo -232 MW
Kombiniert alle Netze ohne Kernkraft- und Kernheizwerk
Erzeugung: 2643 MW Verbrauch: 3193 MW
Saldo -550 MW
Kombiniert alle Netze mit Kernkraftwerk
KKW Kernkraftwerk Blahutovice 389
Erzeugung: 3032 MW Verbrauch: 3193 MW
Saldo -161 MW
Kombiniert alle Netze mit Kernheizwerk
KHW Kernheizwerk Nošovice 600
Erzeugung: 3243 MW Verbrauch: 3193 MW
Saldo 50 MW
Kombiniert alle Netze mit Kernkraftwerk und Kernheizwerk
Erzeugung: 3632 MW Verbrauch: 3193 MW
Saldo 439 MW

Technik

Das Kernheizwerk Nošovice sollte mit zwei Reaktoren des Typs AST-300 ausgestattet werden, die jeweils eine thermische Leistung von 300 MW erreichen sollten uns vollständig als Fernwärme bereitstellen sollten. Die Vorlauftemperatur des Fernwärmenetzes sollte 150 °C betragen und 70 °C im Rücklauf. Obwohl ein Teil des Fernwärmenetzes von Ostrava mit Dampf betrieben wird, sollte das Kernheizwerk nur Warmwasser bereitstellen.[5]

Einzelnachweise

  1. International Atomic Energy Agency, u.a.: Environmental Effects of Cooling Systems at Nuclear Power Plants: Proceedings of a Symposium on the Physical and Biological Effects on the Environment of Cooling Systems and Thermal Discharges at Nuclear Power Stations, Band 378, The Agency, 1975. ISBN 9789200200755. Seite 733.
  2. United States Department of Energy, u.a.: Energy Research Abstracts, Technical Information Center, U.S. Department of Energy, 1979. Seite 3188.
  3. Československá komise pro atomovou energii: VYUŽITI TEPLA Z JADERNÝCH ENERGETICKÝCH ZDROJŮ, 1976. Seite 9, 10. Abgerufen am 06.02.2020. (Archivierte Version bei Internet Archive)
  4. United States. Energy Research and Development Administration: ERDA Energy Research Abstracts: Index, Band 8,Ausgaben 19-21, Technical Information Center, Energy Research and Development Administration, 1983. Seite 6111.
  5. a b c d e f Karel Jiřík: Ostrava: sborník příspěvků k dějinám a výstavbě města, Band 12, Krajské nakl., 1983. Seite 44, 62 bis 64.
  6. a b XII. celostatna konferencia ceskoslovenskych energetikov, 5. Oktober 1983. Seite 181, 187. Abgerufen am 08.06.2022. (Archivierte Version bei Internet Archive)
  7. a b c International Atomic Energy Agency: International Atomic Energy Agency Bulletin, Band 26-4, International Atomic Energy Agency., 1984. Seite 27. Abgerufen am 08.06.2022. (Archivierte Version bei Internet Archive)
  8. Ostrolucky, J., u.a.: Pripravenost soustav centralizovaneho zasobovani teplem v Severomoravskem kraji na jadernou elektrarnu Severni Morava, . Seite 75 bis 81. Abgerufen am 08.06.2022. (Archivierte Version bei Internet Archive)
  9. United States Department of Energy, u.a.: Energy Research Abstracts, Band 13,Ausgaben 15-16, Technical Information Center, U.S. Department of Energy, 1988. Seite 4515.
  10. Ceskoslovenska Vedeckotechnicka Spolecnost, Ceske Budejovice (Czechoslovakia). Dum Techniky.: Vyuziti energii z jaderne elektrarny Temelin., engl. Applications of power from Temelin nuclear power plant. Seite 43. Abgerufen am 08.06.2022. (Archivierte Version bei Internet Archive)

Siehe auch

Portal Kernkraftwerk