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Kernkraftwerk Narora

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Kernkraftwerk Narora
Ganges River near Narora Nuclear Power Plant UP India.jpg
Standort
Land Flag of India.svg Indien
Bundesstaat Uttar Pradesh
Ort Narora
Koordinaten 28° 9′ 29″ N, 78° 24′ 34″ OTerra globe icon light.png 28° 9′ 29″ N, 78° 24′ 34″ O
Reaktordaten
Eigentümer Nuclear Power Corporation of India Limited
Betreiber Nuclear Power Corporation of India Limited
Vertragsjahr 1973
Betriebsaufnahme 1989
Im Betrieb 2 (440 MW)
Einspeisung
Eingespeiste Energie im Jahr 2016 3031,39 GWh
Eingespeiste Energie seit 1989 51240 GWh
Stand der Daten 2017
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Die Quellen für diese Angaben sind in der Zusatzinformation einsehbar.

Das Kernkraftwerk Narora (hindi नरौरा परमाणु विद्युत संयंत्र) steht nahe der Stadt Narora im indischen Bundesstaat Uttar Paradesh. Das Kernkraftwerk war das vierte Kernkraftwerk Indiens und ist die erste Anlage, die mit selbst entworfenen Reaktormodellen ausgestattet wurde. Trotz großer Probleme nach der Inbetriebnahme konnte in den folgenden Jahren die Qualität der Energieerzeugung gesteigert werden.

Geschichte

Ende der 1960er kündigte die indische Regierung ursprünglich an über die drei Kernkraftwerke in Tarapur, Rajasthan und Madras keine weiteren Kernkraftwerke im fünften Fünfjahresplan ab 1969 zu errichten. Überraschend wurde 1970 jedoch dann doch beschlossen ein Kernkraftwerk mit einer Leistung von 400 MW in Nordindien zu errichten für ein Verteilnetz, dass zu diesem Zeitpunkt erst stellenweise errichtet war. Mögliche Standorte sollten in den Bundesstaaten Punjab, Uttar Paradesh, Haryana und Himachal Pradesh gesucht werden. Zugunsten dieses neuen Projekts sollte der Bau von Madras verzögert werden.[1] Der Bau des vierten Kernkraftwerks in Indien wurde seitens der Regierung des Bundesstaats Uttar Paradesh in Narora am Fluss Ganges im Jahr 1972 genehmigt. Geplant wurde die Anlage mit zwei 200 MW starken Schwerwasserreaktoren, die bis 1980 in Betrieb gehen sollten.[2] Seitens des Unionskabinett der Minister wurde der Bau am 13. Dezember 1973 genehmigt. Allerdings gestaltete sich der Ankauf des Landes als schwierig, sowie die Tatsache, dass die für das Ur-Projekt benötigten Wassermengen zu groß waren, weshalb man hier intensive Redesignmaßnahmen vornehmen musste und die Anlage ursprünglich mit vier, später mit zwei Kühltürmen geplant werden musste. Im Januar 1974 legte die Premierministerin Indira Gandhi den Grundstein für das Kernkraftwerk,[3] womit die Vorarbeiten am Standort begannen. Durch Finanzierungsschwierigkeiten und dem Lieferstopp von kanadischer Reaktorausrüstung gab es erhebliche Verzögerungen beim Bau der anderen Kernkraftwerke, was sich auch auf Narora auswirkte und daher der eigentliche Baubeginn nicht mehr vor 1976 erwartet wurde.[4] Bis 1976 wurden die Vorarbeiten weitestgehend abgeschlossen.[5]

Bau

Am 1. Dezember 1976 ging der erste Block in Bau, gefolgt vom zweiten Block am 1. November 1977.[6] Bei dem Reaktormodell handelt es sich um die von Indien lokalisierte und standardisierte Variante der kanadischen CANDU-200, wie sie für das Kernkraftwerk Rajasthan geliefert wurden. Narora galt daher als Versuchsfeld für diese Baulinie, die 1979 auch für den Bau des vierten Kernkraftwerks in Kakrapar gewählt wurde.[7] Bis Juni 1984 konnten die beiden Reaktorgebäude, sowie die Turbinenhalle fertiggestellt werden. Durch die Verzögerungen im zivilen Bau konnte daher erst verspätet mit den Montagearbeiten begonnen werden.[8] Aufgrund einer sich verspäteten Auslieferung der Dampferzeuger verzögerten sich die Bauarbeiten erheblich.[9] Die verspätete Lieferung von Groß- und Schlüsselkomponenten war die Hauptursache, warum sich die Arbeiten so lange verzögerten.[3]

Betrieb

Ursprünglich plante man 1972 die beiden Blöcke bis 1980 in Betrieb nehmen zu können.[2] Aufgrund der Verzögerungen beim Bau der anderen Kernkraftwerke im Jahr 1974 verschob sich die Inbetriebnahme auf 1985 und 1986 für die beiden Blöcke.[4] Diese Termine wurde 1979 aufgrund des guten Baufortschritts je ein Jahr auf 1984 und 1985 vorgezogen.[10] 1984 rechnete man mit der Inbetriebnahme 1987 und 1988.[8] Am 12. März 1989 wurde der Reaktor des ersten Blocks erstmals kritisch gefahren und konnte am 29. Juli 1989 erstmals mit dem Netz synchronisiert werden.[6] Anvisiert wurde ein Probebetrieb von knapp sechs Monaten vor der kommerziellen Inbetriebnahme.[9] Die kommerzielle Inbetriebnahme des Blocks erfolgte am 1. Januar 1990.[6] Für den zweiten Block wurde ursprünglich im Mai 1989 die Inbetriebnahme für Oktober 1989 geplant, die sich allerdings durch die Auslieferung der Dampferzeuger zunächst auf Mai 1990 verschob.[9] Der zweite Block wurde letztlich am 24. Oktober 1991 erstmals kritisch gefahren und am 5. Januar 1992 erstmals mit dem Netz synchronisiert. Am 1. Juni 1992 ging der Block in den kommerziellen Betrieb.[6] In den ersten Jahren war die Verfügbarkeit der Blöcke relativ niedrig, da die Blöcke beide mit reduzierter Leistung betrieben wurden und es mehrfach Stillstände gab aufgrund von Ausrüstungsproblemen und wegen des instabilen Regionalnetzes.[3]

Am 31. März 1993 kam es zu einem größeren Zwischenfall im ersten Block, als in den Morgenstunden um 3:31 Uhr aufgrund von einer mechanischen Belastung zwei Turbinenschaufeln des Läufers abrissen. Die beiden Schaufeln beschädigten 16 weitere Schaufeln, sodass es zu einer sehr starken Vibration des Turbosatzes kam aufgrund der Unwucht. Die Vibrationen verursachten das Brechen der Kühlleitungen für den mit Wasserstoff gekühlten Generator. Der Wasserstoff entzündete sich und verursachte einen Brand in der Turbinenhalle. Aufgrund geborstener, unter Druck stehenden Ölleitungen, die brennendes Öl in der gesamten Turbinenhalle verteilten, kam es zu kleinen Bränden im gesamten Maschinenhaus, die zudem die vier redundanten Leitungen für die Eigenbedarfsversorgung binnen sechs Minuten zerstörten, sodass es zu einem gesamten Blackout im Block kam. Die Rauchgase verteilten sich durch das Lüftungssystem in beide Reaktorblöcke. Durch eine schnelle Reaktion des Personals noch vor dem Blackout wurden beide Blöcke vorher schnellabgeschaltet und das Notkühlsystem für eine schnelle Abkühlung der Reaktorkerne zugeschaltet. Das Personal begann kurz nach dem Station Blackout mit Taschenlampen in den Reaktorgebäuden hoch zu klettern um manuell Ventile zu öffnen, die Borwasser in die Reaktoren leiten. 17 Stunden nach dem Eintritt des Station Blackout konnte die Stromversorgung wieder hergestellt werden. Tatsächlich führte der Zwischenfall zu einem Aufrütteln in der indischen Atomwirtschaft. Alleine der erste Block in Narora verzeichnete eine jährliche Schnellabschaltrate von knapp 200 Stück, der Schwesterblock Narora 2 hatte im zwischen Januar und März 1994 bereits 60 Schnellabschaltungen verzeichnet.[11] Der Störfall wurde auf der INES-Skala mit der Stufe 3 bewertet.[12]

Erst nach einem 21-monatigen Stillstand konnte Block 1 wieder am 6. Januar 1995 ans Netz gehen. Im Rahmen des Stillstandes wurden Kabel ausgetauscht gegen schlecht brennbare isolierte Kabel.[13] Als einer der Folgen des Unfalls fokussierte sich das Kernkraftwerk auf einen stabileren Anlagenbetrieb. Zwischen dem 16. September 2000 und dem 31. August 2005 konnte die Anlage 1811 Tage ohne Zwischenfälle betrieben werden.[14] Am 30. September 1999 kam es zu einem Zwischenfall, als bei einer Druckprobe an einer der drei Druckschleusen in das Containment die Scharniere einer Tür nachgaben und die Tür aus den Angeln fiel. Als Vorsichtsmaßnahme wurde der Block für die Dauer der Reparatur der Tür vom Netz genommen.[15] Zwischen 2009 und 2010 wurden die Druckröhren in Block 2 ausgetauscht.[12] Am 9. Januar 2013 um 9:15 Uhr kam es am Lager 5 der Turbine im ersten Block zu einem Brand, der vom Personal selber gelöscht werden konnte. Als Vorsichtsmaßnahme wurde der Block daher vom Netz genommen bis zur Ermittlung der Brandursache.[16]

Seit Januar 2015 werden die beiden Blöcke unter den IAEA-Safeguards betrieben.[12]

Standortdetails

Der Standort ist für den Bau von vier 220 MW starken baugleichen Blöcken geeignet und war einer der Auswahlkriterien für Narora. Der Standort befindet sich in der Indo-Gangetischen Ebene, 187 Meter über dem Meeresspiegel und 6,2 Meter über der projektierten Überschwemmung durch den am Standort vorbei fließenden Fluss Ganges.[17] Der Standort befindet sich in einem Erdbebengebiet und war insbesondere beim Bau kontrovers gesehen worden. Sowohl die Regierung, als auch Wissenschaftler versicherten allerdings, dass die seismische Festigkeit der Anlage durch genaue Untersuchungen des Standorts im Vorfeld des Baus bereits im Design berücksichtigt ist.[3] Nach Stand 2006 beschäftigt das Kernkraftwerk 1276 Personen, inklusive 750 Personen für Betrieb und Wartung.[14]

Technik

Beide Blöcke der Anlage sind ausgestattet mit Reaktoren des Typs IPHWR-220.[6] Der IPHWR-220 des Typs Narora war die erste standardisierte Baulinie Indiens, auf deren Basis in den 1980ern der Ausbau der Kernenergie stattfinden sollte.[18] Jeder der Blöcke erreicht bei einer thermischen Reaktorleistung von 801 MW eine elektrische Bruttoleistung von 220 MW, von denen 202 MW netto ins Netz gespeist werden.[6]

Daten der Reaktorblöcke

Das Kernkraftwerk Narora besteht aus zwei in Betrieb befindlichen Blöcken.

Reaktorblock[6]
(Zum Ausklappen Block anklicken)
Reaktortyp Leistung Baubeginn Netzsyn-
chronisation
Kommer-
zieller Betrieb
Stilllegung
Typ Baulinie Netto Brutto

Einzelnachweise

  1. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 15. Handelsblatt GmbH, 1970. Seite 102, 103.
  2. a b Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 17. Handelsblatt GmbH, 1972. Seite 388.
  3. a b c d Prashant Agarwal: India's Nuclear Development Plans and Policies: A Critical Analysis, Northern Book Centre, 1996. ISBN 8172110758. Seite 55.
  4. a b Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 19. Handelsblatt GmbH, 1974. Seite 566.
  5. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 21. Handelsblatt GmbH, 1976. Seite 551.
  6. a b c d e f g Power Reactor Information System der IAEA: „India“ (englisch)
  7. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 24. Handelsblatt GmbH, 1979. Seite 591.
  8. a b Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 29. Handelsblatt GmbH, 1984. Seite 271.
  9. a b c Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 34. Handelsblatt GmbH, 1989. Seite 199, 502.
  10. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 24. Handelsblatt GmbH, 1979. Seite 535.
  11. India Today: Ominous incidents, 30.06.1994. Abgerufen am 17.12.2017. (Archivierte Version bei archive.is)
  12. a b c World Nuclear Association: Nuclear Power in India. Abgerufen am 17.12.2017. (Archivierte Version bei archive.is)
  13. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 40. Handelsblatt GmbH, 1995. Seite 127.
  14. a b Pradeep Chaturvedi: Challenges of Occupational Safety and Health: Thrust : Safety in Transportation, Concept Publishing Company, 2006. ISBN 8180692841. Seite 372.
  15. Nuclear Engineering International: Open door shuts down Narora, 29.10.1999. Abgerufen am 17.12.2017. (Archivierte Version bei archive.is)
  16. NPCIL: Incident in Turbine Hall of Narora Atomic Power Station Unit-1. Abgerufen am 17.12.2017. (Archivierte Version bei WebCite)
  17. NPCIL: Environmental Impact Assessment of Nuclear Power Plant Narora, März 1992. Abgerufen am 17.12.2017. (Archivierte Version bei WebCite)
  18. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 27. Handelsblatt GmbH, 1982. Seite 238.
  19. a b Nuclear Engineering International: 2011 World Nuclear Industry Handbook, 2011.
  20. a b International Atomic Energy Agency: Operating Experience with Nuclear Power Stations in Member States. Abrufen.

Siehe auch