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Kernheizkraftwerk Brünn

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Kernheizkraftwerk Brünn
Fluss Svratka bei Dolní Heršpice, nahe dem ehemalig geplanten Standort
Fluss Svratka bei Dolní Heršpice, nahe dem ehemalig geplanten Standort
Standort
Land Flag of the Czech Republic.svg Tschechien
Region Südmähren
Ort Brünn
Koordinaten 49° 7′ 15″ N, 16° 37′ 59″ OTerra globe icon light.png 49° 7′ 15″ N, 16° 37′ 59″ O
Reaktordaten
Pläne storniert 1 (53 MW)
Zusatzfunktion Fernwärme
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Die Quellen für diese Angaben sind in der Zusatzinformation einsehbar.

Das Kernheizwerk Brünn (tschechisch Jaderná elektrárna s odběrem tepla [JEOT] Brno) sollte in der tschechischen Stadt Brünn im Stadtteil Dolní Heršpice entstehen. Das Kernheizkraftwerk war mit einer der ersten Kernheizkraftwerksprojekte in Tschechien, das allerdings nach der Bestellung und Baubeginn des Kernkraftwerks Dukovany nicht mehr verfolgt wurde.

Geschichte

Mitte der 1960er wurde als Parallelprojekt für das Kernheizkraftwerk Holešovice in Prag auch der Bau eines Kernheizkraftwerks für Brünn erwogen. Die Stadt Brünn hat mit seinen Fernwärme-Verbundnetz im Gegensatz zu Prag einen entscheidenden Vorteil durch diese Bauweise. Basis für die Anlage war der Bau eines Kernkraftwerks mit einen WWER, der eine thermische Leistung von 500 MW erreichen sollte und eine Turbine mit 53 MW elektrisch speisen sollte und 355 Gigakalorie Fernwärme pro Stunde ausspeisen sollte zu einem Preis von 52 Kronen pro Gigakalorie. Damit lag der Preis unter dem von konventionellen Erzeugern mit 76 Kronen pro Gigakalorie. Das Netz arbeitet hauptsächlich mit Dampf. Die Untersuchungen seitens Energoprojekt Prag zeigten, dass das Projekt in Brünn unter guten wirtschaftlichen Bedingungen umsetzbar war und durch den fortgeschrittenen Ausbau des Fernwärmenetz die Umsetzung einfacher war im Vergleich zum Fernwärmenetz Prag-Nord, weshalb die Atomenergiekommission der Tschechoslowakei eine detaillierte Studie zur Umsetzung durchführte. Als größtes Problem beim Standortfaktor in Brünn galt insbesondere das Fehlen von großen Wasserquellen für die Kühlung der Anlage, wobei auch nicht der Fluss Svitava genug Kühlwasser liefern konnte, um die Anlage unter diesen Parametern zu betreiben.[1]

Aufgrund der Kühlproblematik wurden für das Kernheizkraftwerk Brünn zusätzliche Lösungen aufgeführt. Primär sah man vor die dauerhafte Wärmeentnahme auf 375 Gigakalorie pro Stunde in das Fernwärmenetz zu erhöhen und die Kondensationsturbine mit einem größeren Kondensator mit mehr Fläche auszulegen, wodurch das Problem abgemildert werden sollte. Die Inbetriebnahme des Kernheizkraftwerks Brünn sollte 1977 erfolgen, wenn durch den Anschluss weiterer Fernwärmeverbraucher und durch die Abschaltung konventioneller Heizwerke der Übergang am leichtesten zu realisieren ist. Das Kernheizkraftwerk sollte dann als Hauptwärmequelle für die Stadt Brünn arbeiten mit der Deckung von rund zwei Drittel der gesamten Fernwärmelast, während im Sommer die konventionellen Erzeuger während Revisionen die Lasten übernehmen sollten. Als Standort wurde Dolní Heršpice im Süden der Stadt gewählt zwischen den Flüssen Svitava und Svratka. Zusätzlich ausgewählt wurden zwei weitere alternative Standorte im Nordosten zwischen den Orten Obřany und Bílovice (Terra globe icon light.png 49° 14′ 14″ N, 16° 39′ 31″ O), sowie im Ort Hády (Terra globe icon light.png 49° 13′ 29″ N, 16° 40′ 52″ O). Obwohl der Vorzugsstandort im Süden bei Dolní Heršpice weiter vom Stadtzentrum und damit vom Verbrauchsschwerpunkt entfernt liegt als die anderen beiden Standorten, bietet der Standort von der Wärmelastplanung Vorteile, da er von einer Seite in das Fernwärmenetz einspeist, auf dem keine großen Erzeugungseinheiten liegen, während die Alternativstandorte beide zu nahe an dem konventionellen Heizkraftwerk Maloměřice liegen und daher ungünstigere Fernwärmenetzbedingungen haben.[1]

Bis 1971 wurden die Vorstudien weitestgehend abgeschlossen, sodass technologische Fragen geklärt werden konnten. Seitens der Firma Sigma war geplant als alleiniger Lieferant der Reaktoranlage aufzutreten, sowie dies auch bei baugleichen Anlagen in der Tschechoslowakei zu sein.[2]

WWER-440 und Dukovany

Blick auf den Steinbruch Hády, rechts davon sollte sich das Kernheizkraftwerk zuletzt befinden

Im Jahr 1971 wurde die Vereinbarung unterzeichnet für die Lieferung der ersten beiden Blöcke für das Kernkraftwerk Dukovany.[3] Zunächst war parallel zu dem Kernkraftwerk auch der Bau eines Kernheizkraftwerkes für Brünn vorgesehen und ab 1971 auch für die Stadt Brünn ein einzelner WWER-440 vorgesehen gewesen.[4][5] Dies hing damit zusammen, dass es eine generelle Entscheidung gab sich zukünftig auf diesen Reaktortyp zu konzentrieren. Ein weiterer Grund war, dass das von Energorpojekt Prag entwickelte Kernkraftwerk basierend auf dem WWER-70 zu viele Unsicherheiten in der Umsetzung bot, weshalb man auf das Projekt verzichtete.[6] Aufgrund des nötigen größeren Sicherheitsabstands wurde im gleichen Jahr der Standort des Projekts nach Hády (Terra globe icon light.png 49° 13′ 29″ N, 16° 40′ 52″ O) verlegt. Entsprechend des neuen Projekts mit WWER-440 sollte die Anlage rund 370 Gigakalorie Fernwärme pro Stunde ausspeisen und dabei eine elektrische Leistung von 110 MW erreichen. Die Fernwärme sollte dazu dienen die neuen Stadtdistrikte, die im Osten von Brünn im Bau waren, sowie ein neues Industriegebiet zu versorgen.[7] Zusätzlich wurde geplant beheizte Gewächshäuser, Fischzuchtbecken und Schwimmbäder zu errichten. Dies wurde zuvor mit konventionellen Kraftwerken nicht durchgeführt, da deren Nebeneffekte durch Emissionen und die Wärmemengen solche Projekte negativ beeinflussen.[8] Der Standort Hády hatte bessere Eigenschaften als die vorherigen Standorte, da bei der Hauptwindrichtung etwaige Freisetzungen von Brünn nach Osten weg geweht werden. Daher wurde die Höhe des Abluftkamins auf 80 Meter festgelegt.[7]

Die Nähe des Kernkraftwerks Dukovany gab allerdings den tschechoslowakischen Planern die Option, auch eine Fernwärmeauskopplung aus dieser Anlage zu berücksichtigen. Da die Wärmeversorgung von Brünn weit weniger Last aufweist als die Fernwärmesysteme für Prag und Bratislava lag es nahe, auf ein eigenes Kernheizkraftwerk für die Stadt zu verzichten und die Option der Fernwärmeversorgung aus Dukovany zu prüfen. Das Dampfversorgungssystem wäre entsprechend von den konventionellen Wärmequellen der Stadt Brünn gedeckt worden. Zusätzlich wurde den RGW-Staaten seitens der Sowjetunion 1976 der Vorschlag für den Bau von reinen Kernheizwerken unterbreitet, was als Option für Brünn eher dem Charakter näherkam, für den das Kernheizkraftwerk ursprünglich geplant wurde. Eine solche Projektänderung würde allerdings zu einer Verzögerung führen. Aufgrund der Unsicherheiten wurde die Projektierung nur noch sporadisch fortgeführt.[6] Ab etwa 1983 änderten sich allerdings die Planungen, da es attraktiver schien mögliche Fernwärme aus dem 50 Kilometer entfernten Kernkraftwerk Dukovany auszukoppeln, das bereits beim Bau dafür ausgelegt wurde.[9] Dadurch wäre es möglich aus den acht Turbosätzen der Anlage pro Turbosatz bis zu 85 MW thermischer Leistung für Fernwärme auszukoppeln, damit insgesamt 680 MW.[10] Die Planungen für das Kernheizkraftwerk Brünn wurden daher nicht weiter fortgeführt.

Standortdetails

Brünn hatte zum Projektionszeitrum Mitte der 1960er Jahre rund 320.000 Einwohner. Die Stadt liegt 230 Meter über dem Meeresspiegel in einem Gebiet, das intensive Winde aufweist mit einer Durchschnittsjahrestemperatur von 8 °C. Das Temperaturminimum der letzten 25 Jahre lag bei -30,4 °C und der Schnitt über den gleichen Zeitraum bei -14,5 °C. Die minimale Temperatur im tschechoslowakischen Durchschnitt lag bei -12 °C. Die Heizperiode endet bei Heiztemperaturen um etwa 12 °C in Brünn, woraus sich eine Heizsaison von 220 Tagen ergibt. Die konventionellen Wärmeerzeuger in Brünn lieferten Anfang der 1970er rund 450 Gigakalorie Fernwärme pro Stunde. Mit dem Bau weiterer Heizwerke sollte die Erzeugung bis 1975 auf 700 Gigakalorie pro Stunde ausgebaut werden. Dies war allerdings unter den Verbrauchsprognosen, die bis 1978 von einer Bedarfsspitze von 900 Gigakalorie pro Stunde ausgingen und bis 1985/86 von 1200 Gigakalorie pro Stunde.[1]

Die größte Wasserquelle der Stadt ist der Fluss Svitava mit einem Abfluss von 400 bis 500 Kubikmeter pro Stunde. Der Fluss selbst reicht für ein Kernheizkraftwerk für die Kühlung unter konventionellen Bedingungen nicht aus, weshalb für die Betrieb einer solchen Anlagen zusätzliche Maßnahmen nötig gewesen wären.[1]

Technik

Die Anlage sollte ausgestattet werden mit einem WWER mit einer thermischen Leistung von 500 MW, baugleich mit den Planungen für das Kernheizkraftwerk Holešovice und den ersten Planungen des Kernheizkraftwerks Pilsen. Der Reaktor war für einen Zielabbrand von 24 GWd/tU ausgelegt und sollte mit einer durchschnittlichen Anreicherung von 2 % Uran 235 fahren, während die frischen Brennelemente eine Anreicherung von 3 % aufweisen sollten mit einem Brennstoffzyklus von 3×12 Monaten.[1] Bei dem Reaktor handelt es sich um eine vergrößerte Variante des WWER-70 im Kernkraftwerk Rheinsberg mit Steuerkassetten und Parametern des WWER-440.[11]

Die Auskopplung von Fernwärme sollte durch Anzapfungen an der 53 MW elektrisch starken Turbine erfolgen, von denen 210 Gigakalorie pro Stunde als Dampf in das Dampfnetz ausgespeist werden sollte und 165 Gigakalorie als Heißwasser in das Heißwassernetz mit 170 °C Vorlauf und 70 °C Rücklauf. Da die Anlage als Grundlastversorger geplant war, sollte die Anlage dauerhaft mit nominalen Parametern so arbeiten. Vorgesehen war in der Anlagenauslegung dennoch die Regelbarkeit bei einer Reduzierung der Fernwärmeentnahme im Dampf- und Heißwassernetz auf bis zu 20 % bei gleichzeitiger elektrischer Volllast, unter der der Reaktor auf bis zu 50 % Leistung auf 250 MW thermische Leistung dauerhaft abfahren konnte.[1]

Einzelnachweise

  1. a b c d e f Czechoslovak Atomic Energy Commission: Nuclear Heating - Proceedings of a Symposium Held in Tatranská Lomnica 13-15 May 1969. Zbraslav nad Vltavou 1970. Seite 7 bis 13, 79, 82 bis 86. Abgerufen am 19.04.2022. (Archivierte Version bei Internet Archive)
  2. Československá obchodní komora: Czechoslovak Foreign Trade, Band 11, Rapid, Czechoslovak Advertising Agency., 1971. Seite 28.
  3. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 16. Handelsblatt GmbH, Oktober 1971. Seite 496.
  4. United States. Department of Energy, u.a.: Energy Abstracts for Policy Analysis, Technical Information Center, U.S. Department of Energy, 1979. Seite 140.
  5. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 24. Handelsblatt GmbH, Mai 1979. Seite 291.
  6. a b Československá komise pro atomovou energii: VYUŽITI TEPLA Z JADERNÝCH ENERGETICKÝCH ZDROJŮ, 1976. Seite 15, 109. Abgerufen am 06.02.2020. (Archivierte Version bei Internet Archive)
  7. a b United Nations, International Atomic Energy Agency: Peaceful Uses of Atomic Energy: Proceedings, Teile 3-4, UN, 1972. Seite 350.
  8. International Atomic Energy Agency, u.a.: Environmental Effects of Cooling Systems at Nuclear Power Plants: Proceedings of a Symposium on the Physical and Biological Effects on the Environment of Cooling Systems and Thermal Discharges at Nuclear Power Stations, Band 378, The Agency, 1975. ISBN 9789200200755. Seite 733.
  9. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 29. Handelsblatt GmbH, Oktober 1984. Seite 478.
  10. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 29. Handelsblatt GmbH, Juni 1985. Seite 327.
  11. Stransky, F., u.a.: 'Moznosti uplatneni jadernych teplaren v CSSR, Czechoslovak conference on nuclear power; Piestany, Czechoslovakia; 1. Dezember 1970. Seite 6. Abgerufen am 19.04.2022. (Archivierte Version bei Internet Archive)

Siehe auch

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