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Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi

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Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi
Fukushima Daiichi 04780015 (8388174045).jpg
Standort
Land Flag of Japan.svg Japan
Präfektur Fukushima
Ort Ōkuma
Koordinaten 37° 25′ 32″ N, 141° 1′ 58″ OTerra globe icon light.png 37° 25′ 32″ N, 141° 1′ 58″ O
Reaktordaten
Eigentümer TEPCO
Betreiber TEPCO
Vertragsjahr 1966
Betriebsaufnahme 1970
Stillgelegt 6 (4696 MW)
Pläne storniert 2 (2760 MW)
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Die Quellen für diese Angaben sind in der Zusatzinformation einsehbar.

Das Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi (japanisch 福島第一原子力発電所, Fukushima daiichi genshiryoku hatsudensho ( anhörenBeschreibungsseite der Audiodatei mit Lizenzangaben, Bedeutung von „Fukushima“ aus dem Japanischen für „Glücksinsel“), deutsch Kernkraftwerk Fukushima I) steht nahe der Stadt Ōkuma in der japanischen Präfektur Fukushima. Nach den Kernkraftwerken Kashiwazaki Kariwa und Ōi ist es das drittgrößte Kernkraftwerk in Japan. Bekanntheit erlangte die Anlage besonders nach dem Tōhoku-Erdbeben im März 2011, nachdem es in der Anlage zu einem Unfall kam. Die Entfernung zu den nächsten größeren Städten beträgt nach Minamisōma 25 Kilometer, nach Iwaki 45 Kilometer und nach Kōriyama sowie der Präfekturhauptstadt Fukushima 60 Kilometer. Zwölf Kilometer südlich steht das Kernkraftwerk Fukushima-Daini, zehn Kilometer nördlich befindet sich der Standort des geplanten Kernkraftwerks Namie-Odaka.

Geschichte

Bereits 1964 gab die Tokyo Electric Power Company (TEPCO) bekannt ein 350 MW starkes Kernkraftwerk unweit der Stadt Okuma errichten zu wollen.[1] Am 30. November 1964 gab TEPCO bekannt ein geeignetes Gelände zwischen Okuma und Futaba gefunden zu haben,[2] mit einer Fläche von 1,98 Quadratkilometer, das am pazifischen Ozean gelegen ist.[3] Die ersten Pläne gingen von zwei baugleichen Reaktoren aus, die zusammen rund 950 MW leisten sollten, zwei weitere Blöcke waren bereits angedacht die jeweils eine Leistung von 600 MW erreichen sollten. Während die ersten beide Blöcke bis 1970 am Netz sein sollten, sollten die anderen beiden Blöcke 3 und 4 bis 1972 in Betrieb sein.[2] Mit dem Bau des ersten Blocks sollte 1966 begonnen werden. Spätere Planungen gingen davon aus, dass der zweite Reaktor eine Leistung von 600 MW erreichen sollte, mit dem Bau 1966 begonnen und 1971 in Betrieb gehen sollte. Die Blöcke 3 und 4 sollten 1974 und 1976 in Betrieb gehen. Ob die Reaktoren jedoch in Fukushima errichtet werden, war zu diesen Zeitpunkt noch nicht sicher. Die Blockgröße für die beiden Reaktoren in Fukushima wurde entsprechend des geplanten Energiebedarfs bis zum Jahr 1976 gewählt.[3] Im Jahr darauf gab es für den ersten Reaktor neben einem 325 MW-Modell von General Electric das alternative Angebot für einen 440 MW starken Siedewasserreaktor von der gleichen Firma, der eine Bruttoleistung von 460 MW erreichen würde. Das alternative Angebot war für die Tokyo Electric Power Company das bessere, für das man sich letztlich auch entschied. Die Kosten für diesen Reaktor wurden auf 110 Millionen US-Dollar kalkuliert. Dieser Auftrag hatte allerdings die Bedingung, dass die japanischen Vertragspartner Hitachi und Toshiba an der Lieferung der Komponenten für den ersten Reaktor beteiligt werden müssen. Insgesamt sollten rund 35 bis 40 % davon auf die beiden Konzerne entfallen. Noch 1966 wurde der Auftrag für den Reaktor vergeben.[4]

Seitens der örtlichen Fischer wird die Wahl des Standortes kritisiert, da er im Fischgebiet der örtlichen Fischfarmen liegen würde. Allerdings stellte TEPCO und die Regierung fest, dass dieses Gebiet eine geringe Bedeutung für die Fischereiindustrie darstelle.[5] Spätere Analysen aus den frühen 1980er ergaben, dass sich der Standort nicht für ein Kernkraftwerk eignet. Der Grund, weshalb der Standort in Fukushima gewählt wurde, war auf die anfänglichen Standortwahlverfahren zurückzuführen, die sich je nach geplanter Größe des Kernkraftwerks ergaben, was allerdings nur bei den Kernkraftwerken Fukushima-Daiichi und Mihama der Fall war. Bei den späteren Auswahlverfahren wurden soziale und ökonomische Interessen, sowie die Standortbedingungen besser analysiert.[6]

Der zweite Reaktor sollte ebenfalls von General Electric stammen und direkt neben dem ersten 460 MW Reaktor gebaut werden. Im Gegensatz zum ersten Reaktor war für den zweiten Block von TEPCO ein moderneres Modell mit weitreichenden Verbesserungen vorgesehen. Die Leistung der Anlage wurde mit 780 MW geplant.[7] Als zweiter Hauptvertragspartner trat Toshiba dem Konsortium bei.[8] Ebenso sollten in den folgenden Jahren drei weitere Reaktoren an diesem Standort errichtet werden; zwei mit 784 MW und einer mit 1100 MW, welche allerdings noch nicht fest vorgesehen waren. Der Standort für einen sechsten Reaktor wurde ebenfalls noch nicht ausgewählt.[9] Für den dritten Reaktor hatte sich bereits Babcock & Wilcox einen Exportauftrag versprochen, ebenso für das später nicht errichtete Kernkraftwerk Ashihama.[10] Allerdings erhielt Toshiba den Auftrag in Höhe von 45 Milliarden Yen, assistiert von Hitachi, welches etwa 10 % vom Vertragsvolumen bekommen sollte. Der Reaktor ist baugleich mit dem zweiten Block, allerdings wurde die Anlage von Toshiba auf die japanischen Ansprüche hin modernisiert.[8] Es war der erste von Toshiba allein errichtete Kernreaktor.[11]

Für Block 4 war Hitachi der Auftragsnehmer, er wurde von der Gesellschaft eigenständig errichtet.[12] Bevor der Bau von Block 5 begann, gab es noch eine Änderung in der Planung, sodass noch ein weiterer Reaktor vor dem 1100 MW starken Reaktor entstehen sollte, baugleich mit den Reaktoren 2 bis 4. So wurde die Blocknummer von Reaktor Nummer 5 auf den zu den Planungen hinzugefügten Reaktor übertragen und das 1100 MW-Modell als Block 6 fortgeführt. Block 5 wurde von Toshiba geliefert, Block 6 von General Electric,[13] zusammen mit Toshiba.[14] Für die ersten vier Reaktoren wurde von einem Hügel rund 35 Meter Erdreich abgetragen, sodass die Anlage rund zehn Meter über dem Meeresspiegel liegt. Vor den Kühlwasserpumpenbauwerken am Meer wurden Wellenbrecher installiert, um die Aufnahme von Kühlwasser für die Kondensatoren nicht zu beeinflussen. Außerdem wurde ein kraftwerkeigener Hafen angelegt, um Großkomponenten anzuliefern, sowie abgebrannten Brennstoff des Kernkraftwerks zu verschiffen.[15]

Bau

Die Anlage im Jahr 1975

Da der Ankauf des rund zwei Quadratkilometer großen Geländes nahe der Städte Futaba und Ōkuma schneller als gedacht durchgeführt werden konnte, wurden die ersten Bauarbeiten einen Monat früher aufgenommen.[4] Am 25. Juli 1967 wurde mit dem Bau des ersten Reaktors begonnen.[16] Für die ersten vier Reaktoren wurde von einem Hügel rund 35 Meter Erdreich abgetragen, sodass die Anlage rund zehn Meter über dem Meeresspiegel liegt, das Standardhöheniveau für ein Kraftwerk in Japan. Vor den Kühlwasserpumpenbauwerken am Meer wurden Wellenbrecher installiert, um die Aufnahme von Kühlwasser für die Kondensatoren nicht zu beeinflussen. Außerdem wurde ein kraftwerkeigener Hafen angelegt, um Großkomponeten anzuliefern, sowie abgebrannten Brennstoff des Kernkraftwerks zu verschiffen.[15] Der Drucktest des Containments im ersten Block erfolgte im Juni 1968, gefolgt von der Montage der Komponenten. Ein Jahr später im Mai 1969 wurde der Reaktordruckbehälter installiert.[15] Der Baubeginn von Block 2 erfolgte am 9. Juni 1969 und Block 3 am 28. Dezember 1970. Der Baubeginn von Block 5 begann am 22. Mai 1972, bevor mit dem Bau von Block 4 am 12. Februar 1973 begonnen wurde. Als letztes wurde mit dem Bau des sechsten Blocks am 26. Oktober 1973 begonnen.[16]

Betrieb

Der erste Reaktor wurde erstmals am 17. November 1970 mit dem Stromnetz synchronisiert.[16] Die Inbetriebnahme der einzelnen Systeme funktionierte reibungslos, sodass am 8. Februar 1971 erstmals Volllast erreicht werden konnte,[17] bevor der Reaktor am 26. März 1971 in den kommerziellen Betrieb überging.[16] Im Juni 1973 kam es zu einem ersten Zwischenfall, als drei Kubikmeter radioaktives Wasser aus einem Lagerraum in das Meer geleitet wurden.[18] Der zweite Reaktor folgte mit der Netzsynchronisation zu Weihnachten 1973.[16] Bei der Inbetriebnahme war er der leistungsstärkste Kernreaktor in Japan.[19] Die kommerzielle Inbetriebnahme erfolgte am 18. Juli 1974. Der dritte Reaktor wurde am 28. Dezember 1974 mit dem Stromnetz synchronisiert und am 27. März 1976 in den kommerziellen Betrieb überführt.[16] Am 27. Juli 1977 wurden erstmals Schäden bei einer Routineinspektion im ersten Reaktor vorgefunden. Demnach befanden sich Risse innerhalb des Reaktors, was die Sicherheit der japanischen Reaktormodelle infrage stellen sollte. Die Reparaturen im Reaktor wurden von Arbeitern unter unzulässig hohen Strahlenwerten durchgeführt.[20] Block 5 wurde vor Block 4 am 22. September 1977 mit dem Stromnetz synchronisiert und am 18. April 1978 in den kommerziellen Betrieb übergeben, Block 4 wurde am 12. Februar 1978 mit dem Stromnetz synchronisiert.[16]

Am 12. Juni 1978 gab es ein Erdbeben nahe der Präfektur Miyagi mit einer Stärke von 7,4 auf der Richtskala, von dem auch die Präfektur Fukushima mit dem Kernkraftwerk betroffen war. Die 20 bis 30 Beschleunigungsmesser am Kernkraftwerk, die ein automatisches Abschalten der Reaktoren sicherstellen sollen, zeigten eine Beschleunigung von rund 0,125 g für rund 30 Sekunden. Weltweit war Fukushima-Daiichi das erste Kernkraftwerk, das so starken Beschleunigungen infolge eines Erdbebens ausgesetzt war. Entgegen den Erwartungen stellten die Reaktoren ein gutes Beispiel für die Standsicherheit von solchen Reaktorgebäuden dar. Entworfen wurden die Reaktorgebäude von USR/Blume in San Francisco für General Electric. Toshiba und Hitachi übernahmen das Design ohne Änderungen, da die Erdbeben-Anforderungen für US-Anlagen dieselben waren, denen auch die Gebäude in Fukushima ausgesetzt sein würden. Eine Besonderheit an der Positionierung der Beschleunigermesser ist, dass zwei von ihnen zwischen 30 und 40 Meter unter zwei Rektorgebäuden installiert sind, weshalb diese eine Überprüfung der Standfestigkeit und Erdbebensicherheit des Kernkraftwerks Fukushima-Daiichi zulassen. Während das Kernkraftwerk und die Gebäude rundherum das Beben – bis auf einige Brüche von Isolatoren in der Schaltanlage – ohne Schäden überstanden, gab es im neuen Ölkraftwerk von Sendai schwere Schäden an den Gebäuden, sowie an den inneren Einrichtungen.[21]

Am 12. Oktober 1978 ging der vierte Block in den kommerziellen Betrieb über. Block 6 wurde als letztes mit dem Netz synchronisiert, was am 4. Mai 1979 erfolgte, am 24. Oktober 1979 wurde er in den kommerziellen Betrieb überführt.[16] Mit der Inbetriebnahme des letzten Reaktors war das Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi das größte Kernkraftwerk der Welt und verdrängt das französische Kernkraftwerk Bugey auf den zweiten Platz.[22] Im Jahr 1984 brach Block 2 mit 400  Tagen ununterbrochenem Betrieb den Weltrekord des Kernkraftwerks Maine Yankee, allerdings nur in der Kategorie der Leichtwasserreaktoren. Fukushima-Daiichi-2 überbot den US-Reaktor Maine Yankee um acht Tage.[23] Am 31. August brach während einer Routineinspektion ein Feuer in der Turbinenhalle des ersten Reaktors aus. Dabei wurde eine große Zahl von Stromkabeln zerstört, auch einige die für die Versorgung von Hilfseinrichtungen des Reaktors notwendig sind. Nach Ansicht von Greenpeace hätte ein Ausbruch des Feuers eine weitaus höhere Gefahr für die Anlage darstellen können.[20]

Im Jahr 1993 kam es zum Austritt von Dampf, der unter hohen Druck stand. Zwei Menschen starben dabei, zwei weitere wurden schwer verletzt. Im Jahr 2000 gab es nach einem Erdbeben einen weiteren Zwischenfall, als man radioaktives Wasser außerhalb der Anlage vorfand. Man stellte fest, dass dies aus dem Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi stammte, von denen ein Kernreaktor ein Leck aufwies.[24]

Im Jahr 2002 geriet TEPCO in einen Fälschungsskandal von Testberichten ihrer Kernkraftwerke. Bereits 2000 begannen die Ermittlungen gegen die Gesellschaft. Im August 2002 veröffentlichte das Ministerium für Wirtschaft, Handel und Industrie von Japan einen Bericht, wonach 29 Dokumente in 13 Reaktoranlagen Fälschungen aufwiesen, in 16 weiteren Fällen bei weiteren neun Reaktoren. Die Behörden setzten ihre Untersuchungen daraufhin intensiv fort, allerdings mit dem Hinweis, dass keiner dieser technischen Probleme, die verfälscht weitergegeben wurden, ein signifikantes Problem darstellen würden. Im September kamen neue Hinweise, dass in 12 Blöcken von Chubu, TEPCO und der Japan Atomic Power Company Risse oder Anrisse an Rohrleitungen gefunden wurden. Am 25. Oktober 2002 wurde man bei TEPCO fündig, als bei einem Drucktest des Containments im Jahre 1991 und 1992 im Kernkraftwerk Fukuhsima-Daiichi unsachgemäß Luft in das Containment geführt wurde. Die japanische Atomaufsichtsbehörde forderte TEPCO daraufhin auf, den Block für ein Jahr vom Netz zu nehmen. Als Folge der gefälschten Papiere nahm TEPCO Mitte April 2003 all seine Reaktoren in Kashiwazaki-Kariwa, Fukushima-Daiichi und Fukushima-Daini unter den Vorwand von periodischen Wartungen und außerordentlichen Zusatztests vom Netz. Die Leistung wurde durch in Reserve stehenden Ölkraftwerken ersetzt, sowie die Bevölkerung aufgefordert, Elektrizität zu sparen.[25]

Ab Juni 2003 veröffentlichte TEPCO eine Echtzeitstatistik des Energieverbrauchs, die jede Stunde aktualisiert wurde, um die Bevölkerung so auch über tägliche Medienberichte auf dem Laufenden zu halten, ob Einsparungen nötig sind oder nicht. Eigentlich sah man dies vor, um in den Sommermonaten große Einsparungen machen zu können, allerdings war der Juli glücklicherweise einer der Kältesten in der Geschichte. Der Verbrauch im Sommer war ebenfalls weit unter dem Durchschnitt des erwarteten Verbrauchs. Um die Kapaizitäten weiter decken zu können, wurde ein eingemottetes Kohlekraftwerk wieder in Betrieb genommen, sodass die Stromknappheit im September für beendet erklärt wurde.[26] Block 2, 3, 5 und 6 konnten bereits 2003 wieder ans Netz gehen. Block 4 folgte 2004 und Block 5 ging erst 2005 wieder in Betrieb.[16]

Im Jahr 2007 machte TEPCO Anfang des Jahres erneut Schlagzeilen, wonach die Gesellschaft einen Kritikalitätsunfall während einer Routineinspektion im dritten Reaktor am 2. November 1978 vertuscht hatte. Demnach sollen einige Steuerstäbe aus der aktiven Zone zur Prüfung ausgefahren worden sein, wonach die Kritikalität wieder zunahm und es zu Kernspaltungen kam. Solch ein Verfahren wird bei Siedewasserreaktoren normalerweise nicht durchgeführt, daher verwunderte es selbst die IAEA, dass dieses Verfahren auch in anderen Reaktoren der Gesellschaft durchgeführt wurde. Neun ähnliche Zwischenfälle in anderen Reaktoren lagen ebenfalls vor. Betroffen waren davon die Kernkraftwerke Fukushima-Daiichi Block 3 (1978), Block 5 (1980), Block 2 (1980) und Block 4 (1999), sowie weitere sieben Reaktoren an den Standorten Onagawa, Hamaoka, Kashiwazaki-Kariwa und Shika. Seitens der Betreibergesellschaft TEPCO wurden diese Ereignisse als nicht Meldepflichtig eingestuft.[27] Die Dauer des Kritikalitätsunfalls in Block 3 betrug siebeneinhalb Stunden.[28]

Unfall und Stilllegung

Die zerstörten Reaktoren am 16. März 2011

Am 11. März 2011 kam es zu einem Erdbeben nahe der Stadt Sendai mit einer Magnitude von 9,0 auf der Richterskala. Infolge dessen schalteten sich die Reaktoren 1 bis 3 automatisch ab. Die Reaktoren 4 bis 6 waren zu der Zeit aufgrund Routineinspektionen abgeschaltet. Eine Stunde nach dem Erdbeben traf ein Tsunami auf die Anlage und überflutete und beschädigte die Schaltanlage für die externe elektrische Versorgung der Anlage, sowie die Notstrom-Dieselgeneratoren. Infolge dessen kam es zu mehreren Störungen und drei Kernschmelzen im Kernkraftwerk, sowie zu einigen Wasserstoffexplosionen mit anschließender Freisetzung von radioaktiven Partikeln. Die Reaktoranlagen 1 bis 4 mussten dadurch abgeschrieben werden.

Infolge dessen gab die Regierung bekannt, dass das Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi nie wieder zur Stromerzeugung angefahren wird.[29] Am 20. Mai 2011 wurde offiziell die Stilllegung der Reaktoren beschlossen. Die Stilllegung der Blöcke 5 und 6 erfolgte formal am 17. Dezember 2013.[16]

Technische Details

Grafik: Aufbau des Standortes

Der erste Block war mit einem Siedewasserreaktor vom Typ BWR-3 ausgestattet. Die elektrische Bruttoleistung lag bei 460 MW, während nach Abzug des Eigenbedarfs 439 MW netto in das Elektrizitätsnetz gespeist wurden.[16] Der Reaktor durfte jährlich radioaktive Gase mit einer Gesamtaktivität von 180 Terrabecquerel über seinen 120 Meter hohen Schornstein abblasen.[30] Block 2 bis 5 waren resp. sind mit Siedewasserreaktoren des Typs BWR-4 ausgestattet, ein Nachfolgemodell des BWR-3. Diese Reaktoren erreichten alle eine Bruttoleistung von 784 MW und speisten davon 760 MW nach Abzug des Eigenbedarfs in das Elektrizitätsnetz ein.[16] Die Auslegung von Block 2 wurde im Design 1:1 von dem für die Tennessee Valley Authority angepassten Design für das Kernkraftwerk Browns Ferry übernommen.[31] Block 6 ist ein Siedewasserreaktor des Typs BWR-5. Der Block erreichte eine elektrische Leistung von 1100 MW und speiste 1067 MW in das Elektrizitätsnetz nach Abzug des Eigenbedarfs ein.[16]

Block 1 bis 5 waren resp. sind ausgestattet mit Containments vom Typ Mark-I mit einem Kondensationstorus, Block 6 besitzt ein Mark-II-Containment das ein Kondensationsbecken aufweist. Seismisch wurde der erste Block für eine Erdbeschleunigung von 0,18 g ausgelegt, auf der Basis des 1952 stattgefundenen Erdbebens in Süd-Kalifornien in Kern County. Die anderen Blöcke haben ein auf den Standort angepasstes Design.

Neubau Block 7 und 8

Bereits seit 1997 erwägte TEPCO die Errichtung zweier neuer Reaktoren vom Typ ABWR. Der Bau sollte bereits 2007 beginnen, sodass die Reaktoren 2011 und 2012 ans Netz gehen sollten.[32] Allerdings verzögerte sich der Bau mehrmals, ebenso beim Kernkraftwerk Higashidori, aufgrund der negativ ausgefallenen Erdbebenprüfungen.[33] Nach der Aufdeckung des Kritikalitätsunfalls aus dem Jahre 1978 im Jahre 2007 verschob TEPCO den Baubeginn auf einen späteren Zeitpunkt.[34] Aufgrund des Unfalls in den Blöcken 1 bis 4 wurden die Planungen storniert.

Wissenswertes

Das Kernkraftwerk speist seine Energie in die Tokyo-Kreisstrecke ein, eine Hochspannungsleitung, die rund um den Großraum Tokio verläuft. Die 200 Kilometer lange Hochspannungsleitung setzt an einer Schaltanlage nahe der Stadt Yonomori an, die von den Kernkraftwerken Fukushima-Daiichi und Fukushima-Daini gemeinsam genutzt wird.[35] Die Reaktoren des Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi wurden eine Zeit lang als Tokyo 1 bis 6 bezeichnet.[36]

Das Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi stand zusammen mit dem Kernkraftwerk Fukushima-Daini einige Jahre im Guinness book of world records, mit einer Anzahl von zehn Reaktoren und einer installierten Leistung von 9096 MW an zwei Standorten als größtes Kernkraftwerk der Welt.[37][38] Allerdings wurde der Rekord vom Kernkraftwerk Kashiwazaki-Kariwa mit sieben Reaktoren an einem Standort – jeder Block dort hat eine Kapazität mehr als 1000 MW – überboten, und den Kernkraftwerken Fukushima-Daiichi und Fukushima-Daini wieder aberkannt.[39]

Um Versuche zur Verbesserung der Erdbebensicherheit zu schaffen und um mögliche Folgen festzustellen, steht ein 1:15 Modell des Containments mit einem Messstand auf dem Gelände.[21]

Daten der Reaktorblöcke

Reaktorblock[16]
(Zum Ausklappen Block anklicken)
Reaktortyp Leistung Baubeginn Netzsyn-
chronisation
Kommer-
zieller Betrieb
Stilllegung
Typ Baulinie Netto Brutto

Einzelnachweise

  1. The Oriental economist's Japan economic yearbook. The Oriental Economist, 1964. Seite 141.
  2. a b Australian Institute of International Affairs: Proceedings. Australian National University, 1965. Seite 74.
  3. a b Far Eastern economic review, Band 47. Review Pub. Co. Ltd., 1965.
  4. a b Nucleonics, Band 24. McGraw-Hill., 1966.
  5. Daniel P. Aldrich: Site Fights: Divisive Facilities and Civil Society in Japan and the West. In: G - Reference, Information and Interdisciplinary Subjects Series. Cornell University Press, 2010. ISBN 0801476224.
  6. Great Britain. Parliament. House of Commons: Papers by command, Band 45. HMSO, 1983.
  7. Atomic Industrial Forum: Nuclear industry, Band 14. Atomic Industrial Forum, 1967.
  8. a b Dentsū: Industrial Japan, Ausgaben 18-26. Dentsu Advertising, 1970.
  9. The Oriental economist, Band 35,Ausgaben 675-686. Oriental Economist, 1967.
  10. U.S. news & world report, Band 63,Ausgaben 10-18. U.S. News Pub. Corp., 1967.
  11. American Nuclear Society, European Nuclear Society: Transactions of the American Nuclear Society, Bände 42-43. American Nuclear Society, 1982.
  12. Hitachi Seisakujo: 60 years of Hitachi, 1910-1970. Hitachi, Ltd., 1970.
  13. American Nuclear Society: Nuclear news, Band 19,Ausgaben 1-8. American Nuclear Society., 1976.
  14. Atomic Industrial Forum: Nuclear industry, Band 20. Atomic Industrial Forum, 1973.
  15. a b c United Nations, International Atomic Energy Agency: Peaceful uses of atomic energy: proceedings, Band 2. In: Proceedings series; Peaceful Uses of Atomic Energy: Proceedings, International Atomic Energy Agency; Agence internationale de l'énergie atomique. United Nations, 1972.
  16. a b c d e f g h i j k l m n Power Reactor Information System der IAEA: „Japan“ (englisch)
  17. American Nuclear Society: Nuclear news, Band 14,Ausgaben 1-4. American Nuclear Society., 1971.
  18. Anna Gyorgy: No nukes: everyone's guide to nuclear power. In: Ecology and Green Politics Series. South End Press, 1979. ISBN 0896080064.
  19. Verband Deutscher Elektrotechniker: ETZ: elektrotechnische Zeitschrift: Ausg. B., Band 21. VDE-Verlag., 1969.
  20. a b John May, Greenpeace Foundation: The Greenpeace book of the nuclear age: the hidden history, the human cost. Pantheon Books, 1989. ISBN 0394585534.
  21. a b A. Gerald Brady, United States-Japan Cooperative Program in Natural Resources. Panel on Wind and Seismic Effects: An Investigation of the Miyagi-ken-oki, Japan, earthquake of June 12, 1978. In: Band 592 von NBS special publication; Band 592 von (National Bureau of Standards special publication); An Investigation of the Miyagi-ken-oki, Japan, earthquake of June 12, 1978. U.S. Dept. of Commerce, National Bureau of Standards, 1980.
  22. Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie, Bände 23-24. Pick-Verlag., 1979.
  23. International Brotherhood of Electrical Workers: Journal, Band 83. International Brotherhood of Electrical Workers, 1984.
  24. N. S. Sisodia, V. Krishnappa, Priyanka Singh: Proliferation and Emerging Nuclear Order in the Twenty-First Century. Academic Foundation, 2009. ISBN 817188752X.
  25. International Energy Agency, OECD - Organisation for Economic Co-operation and Development: Energy Policies of IEA Countries Energy Policies of IEA Countries: Japan 2003. OECD Publishing, 2003. ISBN 9264014756.
  26. International Energy Agency: Saving electricity in a hurry: dealing with temporary shortfalls in electricity supplies. In: Tema Nord 2005. OECD Publishing, 2005. ISBN 9264109455.
  27. T. Kitamura: Nuclear Knowledge Management in Japanese Nuclear Industry. International Atomic Energy Agency, 2008.(Online-Version)
  28. Japan echo, Band 34,Ausgaben 1-6. Japan Echo Inc., 2007.
  29. Petra Kolonko: Japan schöpft Hoffnung im Kampf gegen Gau. FAZ-Net, 20. März 2011. (Online-Version)
  30. Zdeněk Dlouhý: Disposal of radioactive wastes. In: Band 15 von Studies in environmental science; Band 15 von Studies in Electrical and Electronic Engineering. Elsevier, 1982. ISBN 0444997245.
  31. British Nuclear Energy Society: Journal, Bände 6-7. T. Telford Limited, 1967. Seite 195.
  32. Richard C. Ragaini, Antonino Zichichi: International Seminar on Nuclear War and Planetary Emergencies, 34th session: energy, nuclear and renewable energy ... : "E. Majorana" Centre for Scientific Culture, Erice, Italy, 19 - 24 Aug. 2005. In: Science and culture series (Singapore).: Nuclear strategy and peace technology. World Scientific, 2006. ISBN 9812567399.
  33. World Nuclear Association: Nuclear Power in Japan. (Online-Version)
  34. Aktiencheck News: TEPCO verschiebt Fertigstellung von Kernkraftwerk. Wallstreet Journal, 28. März 2007 (Online-Version)
  35. Power engineering, Band 74. Technical Pub. Co., 1970.
  36. International Atomic Energy Agency: Power and research reactors in member states. International Atomic Energy Agency., 1969.
  37. Donald And Mcwhirter McFarlan: 1989 Guinness Book of World Records. Sterling Publishing Co., Inc., 1988. ISBN 0806902779.
  38. Donald McFarlan, Norris Dewar McWhirter, David A. Boeh: Guinness book of world records: 1990. Sterling, 1989. ISBN 0806957905.
  39. Ronald A. Morse: The Politics of Japan's energy strategy: resources-diplomacy-security. In: Ausgabe 3 von Research papers and policy studies; Band 3 von Research Papers and Policy Studies - University of California, Berkeley. Institute of East Asian Studies. Institute of East Asian Studies, University of California, 1981.
  40. a b c d e f g h Nuclear Engineering International: 2011 World Nuclear Industry Handbook, 2011.
  41. a b c d e f g h International Atomic Energy Agency: Operating Experience with Nuclear Power Stations in Member States. Abrufen.
  42. Power Reactor Information System der IAEA: „Nuclear Power Reactor Details - FUKUSHIMA-DAIICHI-7 “ (englisch)
  43. Power Reactor Information System der IAEA: „Nuclear Power Reactor Details - FUKUSHIMA-DAIICHI-8 “ (englisch)

Siehe auch

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