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Kernkraftwerk Marble Hill

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Kernkraftwerk Marble Hill
MHinspring2007.JPG
Standort
Land Flag of the United States.svg Vereinigte Staaten
Bundesstaat Indiana
Ort Madison
Koordinaten 38° 36′ 2″ N, 85° 26′ 46″ WTerra globe icon light.png 38° 36′ 2″ N, 85° 26′ 46″ W
Reaktordaten
Eigentümer Public Service of Indiana
Betreiber Public Service of Indiana
Vertragsjahr 1974
Bau storniert 1984
Pläne storniert 2 (2280 MW)
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Die Quellen für diese Angaben sind in der Zusatzinformation einsehbar.

Das Kernkraftwerk Marble Hill (englisch Marble Hill Nuclear Power Plant) sollte nahe der Stadt Madison im US-Bundesstaat Indiana entstehen. Der Bau wurde aufgrund gestiegener Kosten jedoch storniert. Die beiden Schwesteranlagen sind die Kernkraftwerke Byron und Braidwood.[1] Die Entfernung zu den nächsten größeren Städten beträgt nach Madison 15 Kilometer, nach Charlestown 20 Kilometer und zur Metropolregion Louisville 45 Kilometer.

Geschichte

Erstmals im Jahre 1974 kündigte die Public Service of Indiana den Bau eines Kernkraftwerks nahe Saluda an, genannt Marble Hill.[2] Im gleichen Jahr ging bei Westinghouse die Bestellung für zwei Reaktoren der 1150 MW-Klasse ein, die zusammen 100 Millionen Dollar kosten sollten und 1983/84 am Netz sein sollten.[3] Im Februar und März 1976 gab es die ersten Hearings für die beiden Reaktoren.[4] Im gleichen Jahr regte sich jedoch erster Widerstand gegen die Anlage, besonders hinsichtlich der Lage, da 28 Meilen flussabwärts der Anlage das Trinkwasser für die Stadt Louisville entnommen wird. Geleitet wird die Protestwelle von einer Organisation namens Save the Valley, die im Zusammenhang mit dem Kraftwerk Cliffty Creek gegründet wurde, um die gefühlte Umweltbelastung für das Tal, in dem die Anlage steht, zu reduzieren. Seit 1930 kämpft die Organisation bereits gegen Großprojekte. Das Tal am Ohio River drohte immer weiter zu einer Industrielandschaft zu werden, weshalb man die Strecke bereits als „Power Plant Alley“ und „the Ruhr of Amerika“ in Anlehnung an das Ruhrgebiet in Deutschland nannte.[5]

Doch zunächst waren die Organisationen eher positiv gestimmt, da so der Bau von weitaus schädlicheren Kohlekraftwerken verhindert werden konnte. Allerdings kam der erste Widerstand, wie meist in diesen Fällen, von den Landbesitzern, die ihr Land für die Anlage aufgeben müssten. Nachdem die Debatte über die Sicherheit der Kernenergie entbrannte, stellte sich die Organisation Save the Valley ebenfalls gegen die Anlage. Dem schlossen sich auch der örtlichen Verwaltung der Metropolregion Louisville an, sowie die Landesregierung des Staates Kentucky, an dessen Grenze die Anlage liegt. Das Problem war jedoch, dass der Fluss, der für die Kühlung der Anlage benötigt wird, nicht im Bundesstaat Indiana, sondern im Bundesstaat Kentucky liegt, der sämtliche Wasserrechte besitzt. Seitens der Public Service of Indiana war das ein herber Rückschlag, obwohl zur gleichen Zeit die Überlegung bestand statt zwei sogar vier Reaktoren zu errichten.[5] Public Service of Indiana zahlte mehrmals an die Nuclear Regulatory Agency einen Betrag, der offiziell für den Brennstoff dienen sollte. Allerdings wurden die Gelder umgelegt, um mit den Bauvorarbeiten bereits beginnen zu können.[6] Für Marble Hill wurde kein Preliminary Safety Analysis Report in Auftrag gegeben, da die Anlage den Bericht des baugleichen Kernkraftwerks Byron mitnutzte. So erhoffte sich Public Service of Indiana einige Zeit einzusparen um die Anlage termingerecht in Betrieb zunehmen.[7]

Bau

Am ersten Juli 1977 wurde mit dem Bau der ersten beiden Blöcke begonnen.[8][9] Im gleichem Jahr versuchten die Gegner des Projekts in Washington D.C. ein Moratorium über den Bau von Kernkraftwerken am Ohio River zu erwirken, jedoch ohne Erfolg.[5] Die Nuclear Regulatory Comission ging im späteren Verlauf davon aus, dass es beim Bau der Anlage zu keinen weiteren Verspätungen kommen würde und die Anlage in 60 Monaten betriebsbereit sein könne.[10] Nachdem es im Jahre 1979 zum Unfall von Three Mile Island gekommen war, wurde 43 ähnliche Reaktoren auf baugleiche Fehler untersucht. In Marble Hill fand man keine technischen Fehler, jedoch bauliche. Teilweise wurde fehlerhafter Beton verbaut, weshalb die Nuclear Regulatory Comission einen vorläufigen Baustopp verhängte. Marble Hill war bereits die dritte Anlage innerhalb von fünf Wochen, an der ein Baustopp verhängt wurde.[11] Im Jahre 1980 versuchten erneut die Gegner des Projekts im Repräsentantenhaus in Washington D.C. den Ohio River in ein Naturschutzgebiet umzuwandeln, was den Bau zu Fall gebracht hätte, der Antrag wurde jedoch abgelehnt.[12]

Aufgrund weiterer Bauverzögerungen wurde die Inbetriebnahme der Blöcke nicht vor 1986 und 1987 erwartet.[13] Über das Jahr 1979 hinweg wurden alle Mängel in Marble Hill ermittelt, die teilweise signifikante sicherheitstechnische Relevanz hatten. Aufgrund dessen wurde zwischen November 1979 und Februar 1980 ein Spezialteam beauftragt, dass weitere Untersuchungen während des Baustopps durchführte. Hier wurden ebenfalls vermehrt Baufehler ausfindig gemacht.[14] Festgestellt wurde besonders schlechter Beton in der Gegend des Reaktors, der mit Luftbläschen übersäht war.[15] Weiter gab es das Problem, dass die Kosten für die Anlage rasant anstiegen, zuletzt im Jahre 1984 auf 7 Milliarden Dollar.[16] Seitens Public Service of Indiana wurden letzte Versuche unternommen die Anlage vor der Stornierung zu retten, indem drei weitere Firmen in die Anlage involviert werden sollten. Zusammen mit Bechtel, dem Designer der Anlage, der Ingenierfirma Lundy und dem Reaktorlieferanten Westinghouse wurden entsprechende Planungen begonnen. Als Alterantive stand der Umbau in ein Kohlekraftwerk zur Debatte. Diese Variante wäre jedoch teurer als 2,5 Milliarden Dollar geworden.[17]

Die Anlage im Februar 2007

In der näheren Umgebung gab es bereits Gerüchte, dass die Anlage storniert werden würde, jedoch schenkte man diesen keinen Glauben. Allerdings stoppte die Public Service of Indiana 1984 weitere Bemühungen den Bau zu retten. Bisher war Marble Hill die letzte noch im Bau befindliche Anlage in den Vereinigten Staaten, die bisher nicht storniert wurde, bei den meisten Anlagen wurde bereits ein Baustopp verhängt. Durch die zu stark gestiegenen Kosten und die Verpflichtung die Baufehler auszubessern wurde die ökonomische Leistung der Anlage infrage gestellt, weshalb der Betreiber Public Service of Indiana die Anlage endgültig stornierte.[18] Zu diesem Zeitpunkt war die Gesamtanlage zu 50 % fertiggestellt. Anschließend wurde der Plan für den Umbau in ein Kohlekraftwerk mit zwei Blöcke für 2,5 Milliarden Dollar weiter verfolgt. Allerdings war dies nicht mit dem Budget der Public Service of Indiana möglich gewesen, da sich das Unternehmen mit dem Kernkraftwerk Marble Hill bereits stark verschuldet hatte. Die Gesellschaft musste bei der Indiana Public Service Comission einen zusätzlichen Kredit beschaffen, um nicht in die roten Zahlen zu rutschen.[19] Die Stornierung an sich verursachte zusätzliche Kosten von 200 Millionen Dollar unter der Anmerkung, dass die Anlage nicht konserviert werden würde, sodass ein späterer Weiter- oder Umbau unmöglich wird. Zeitgleich drohte der Public Service of Indiana die Zahlungsunfähigkeit, da sie nicht mehr die staatlichen Förderungen zurückzahlen konnte. In der Folge wurde der Prozentsatz der Raten gesenkt.[20]

Im Jahre 1990 wurden für 591,3 Millionen Dollar einige Komponenten vom Kernkraftwerk verkauft.[21] Mit dem nicht installierten Reaktordruckbehälter von Block 2 wurden Versprödungs- und Härteversuche vorgenommen.[22] Da der Abriss des Kernkraftwerks zu teuer käme, stand das Kraftwerk bis vor einiger Zeit noch vollständig in der Gegend, wie es 1984 verlassen wurde.[23] Im Jahre 2007 wurde mit dem Abriss der Anlage begonnen. Das erste Reaktorgebäude wurde 2010 gesprengt. Das zweite 2011. Bis zum Mai 2011 wurden die Arbeiten abgeschlossen.[24]

Technische Details

Die Anlage sollte aus zwei Druckwasserreaktoren bestehen[8][9], die von Westinghouse stammen sollten. Die beiden Reaktoren gehören der 1150 MW-Klasse an[3] und sollten 1030 MW netto und 1090 MW brutto (Block 1) leisten,[8] beziehungsweise 1130 MW netto und 1190 MW brutto (Block 2).[9] Die Kühlung der Anlage sollte mit Zellenkühlern erfolgen.[25]

Daten der Reaktorblöcke

Reaktorblock
(Zum Ausklappen Block anklicken)
Reaktortyp Leistung Baubeginn Netzsyn-
chronisation
Kommer-
zieller Betrieb
Stilllegung
Typ Baulinie Netto Brutto

Einzelnachweise

  1. Donald L. Schurman, u.a.: roceedings of the 1997 IEEE Sixth Conference on Human Factors and Power Plants: Global Perspectives of Human Factors in Power Generation, June 8-13, 1997, Orlando, Florida. Institute of Electrical and Electronics Engineers, 1997. ISBN 0780337700.
  2. United States. Congress. Atomic Energy Joint Committee: Development, growth, and state of the nuclear industry, hearings before ..., 93-2 ..., February 5 and 6, 1974. 1974.
  3. a b Power engineering, Band 78. PennWell Pub. Co., 1974.
  4. Indiana Stream Pollution Control Board: Annual report. Stream Pollution Control Board., 1976.
  5. a b c Anna Gyorgy: No nukes: everyone's guide to nuclear power. In: Ecology and Green Politics Series. South End Press, 1979. ISBN 0896080064.
  6. Public Utilities Reports, inc: Public utilities fortnightly, Band 96. Public Utilities Reports, Inc., 1976.
  7. Warren E. Nyer, Atomic industrial Forum: Summary report, Workshop on Reactor Licensing and Safety: this summary report is based on presentations made at the AIF Workshop on Reactor Licensing and Safety, held 25-28 January 1976 at the Royal Sonesta Hotel, New Orleans, Louisiana. In: Band 3,Ausgabe 4 von AIF program report, Atomic Industrial Forum. Atomic Industrial Forum, 1976.
  8. a b c d Power Reactor Information System der IAEA: „Nuclear Power Reactor Details - MARBLE HILL-1“ (englisch)
  9. a b c d Power Reactor Information System der IAEA: „Nuclear Power Reactor Details - MARBLE HILL-2“ (englisch)
  10. The Investment dealers' digest, Band 43,Ausgaben 27-51. IDD, 1977.
  11. Government Research Corporation: National journal. National Journal Group Inc., 1979.
  12. Steamship Historical Society of America: Steamboat bill: journal of the Steamship Historical Society of America, Band 37,Ausgaben 153-156. Steamship Historical Society of America, 1980.
  13. Standard and Poor's Corporation: Standard & Poor's fixed income investor, Band 8,Ausgaben 27-52. Standard & Poor's Corp., 1980.
  14. United States. Congress. House. Committee on Interstate and Foreign Commerce. Subcommittee on Oversight and Investigations: Regulation and construction of nuclear powerplants--South Texas nuclear project: hearing before the Subcommittee on Oversight and Investigations of the Committee on Interstate and Foreign Commerce, House of Representatives, Ninety-sixth Congress, second session, September 23, 1980. U.S. G.P.O., 1981.
  15. Environment Information Center: Energy information abstracts. Environment Information Center., 1984.
  16. The Economist, Band 290,Ausgaben 7323-7335. Charles Reynell, 1984.
  17. Engineering news-record, Band 212,Ausgaben 16-26. McGraw-Hill, 1984.
  18. American Nuclear Society: Nuclear news, Band 27,Ausgaben 7-11. American Nuclear Society, 1984.
  19. Investor Responsibility Research Center: News for investors, Bände 11-13. Investor Responsibility Research Center., 1984.
  20. Standard and Poor's Corporation: The outlook, Band 58. Standard & Poor's Corp., 1986.
  21. Moody's Investors Service: Moody's public utility news reports, Band 58. Moody's Investors Service, Inc., 1986.
  22. W. J. Bees, u.a.: Approximate methods in the design and analysis of pressure vessels and piping components, 1997: presented at the 1997 ASME Pressure Vessels and Piping Conference, Orlando, Florida, July 27-31, 1997. In: Pvp (Series), Vol. 347; Band 347 von PVP (Series). American Society of Mechanical Engineers, 1997. ISBN 0791815633.
  23. Mark Marimen, u.a.: Weird Indiana: Your Travel Guide to Indiana's Local Legends and Best Kept Secrets. In: Weird Series. Sterling Publishing Company, Inc., 2008. ISBN 1402754523.
  24. Tony K.: Marble Hill Demolition Video. In: Madison Indiana Observer, 12.05.2011. (Online-Version)
  25. United States. Congress. House. Committee on Public Works and Transportation. Subcommittee on Investigations and Review: Implementation of the Federal water pollution control act, 1977 (thermal pollution and other water impacts from steam electric power generation): hearings before the Subcommittee on Investigations and Review of the Committee on Public Works and Transportation, U.S House of Representatives. In: Serial - House, Committee on Public Works and Transportation; Serial, 95th Congress, United States Congress. U.S. Govt. Print. Off., 1977.
  26. a b Nuclear Engineering International: 2011 World Nuclear Industry Handbook, 2011.
  27. a b International Atomic Energy Agency: Operating Experience with Nuclear Power Stations in Member States. Abrufen.

Siehe auch