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Kernkraftwerk Pfaffenhofen

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Kernkraftwerk Pfaffenhofen
Standort
Land Flag of Germany.svg Deutschland
Ort Pfaffenhofen an der Zusam
Koordinaten 48° 37′ 54″ N, 10° 42′ 8″ OTerra globe icon light.png 48° 37′ 54″ N, 10° 42′ 8″ O
Reaktordaten
Eigentümer Kernkraftwerk RWE Lechwerke
Betreiber Kernkraftwerk RWE Lechwerke
Planungen gestoppt 1987
Pläne gestoppt 1 (1315 MW)
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Die Quellen für diese Angaben sind in der Zusatzinformation einsehbar.

Das Kernkraftwerk Pfaffenhofen (kurz KRL, ursprünglich Kernkraftwerk Rehling) sollte nahe der bayerischen Gemeinde Buttenwiesen in der Ortschaft Pfaffenhofen an der Zusam entstehen. Die Pläne für die Errichtung der Anlage wurden allerdings später auf unbestimmte Zeit verschoben. Das Projekt selber ist bis heute nicht förmlich aufgehoben.

Geschichte

Im November 1975 kündigte die Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk AG (RWE) an, dass sie zusammen mit dem Tochterunternehmen, der Lech-Elektrizitäts-Werke AG (einfach Lechwerke oder LEW), die gemeinsame Tochtergesellschaft Kernkraftwerk RWE-LEW GbR gegründet hat. Beide Unternehmen planten den Bau eines gemeinsamen Kernkraftwerks in Bayern mit einer Leistung von 1300 MW an einen zu diesem Zeitpunkt nicht näher bekannten Standort.[1][2] Sicher war zu diesem Zeitpunkt nur, dass die Anlage im Versorgungsgebiet der LEW liegen sollte.[3] Am 8. Oktober 1976 wurde der Standort für die Anlage bekannt, nachdem das RWE das Raumordnungsverfahren für ein Kernkraftwerk nahe der Gemeinde Rehling, nördlich von Augsburg beantragte. Der Antrag wurde für den Bau eines Kernkraftwerks am Ostufer des Lechs in den Lechauen bei Stettenhofen beantragt. Entgegen der ursprünglichen Ankündigung sollte der Standort für zwei Reaktoren der 1300 MW-Klasse vorbereitet werden, dessen erster Block spätestens ab Winter 1985 in Betrieb gehen sollte. Der Baubeginn des zweiten Blocks im Abstand zum ersten wurde zu diesem Zeitpunkt noch nicht definiert, sollte aber vom Wachstum des Strombedarfs abhängen. Am 12. Oktober 1976 gab es eine öffentliche Pressekonferenz in Rehling, in der RWE und LEW das Projekt gemeinsam vorstellten.[4] Den Baubeginn datierte man auf 1979.[5]

Mitte Mai 1977 wurde das Raumordnungsverfahren seitens der Bezirksregierung von Schwaben für das Kernkraftwerk Rehling eingeleitet. Das Staatsministerium für Wirtschaft hat nach energiewirtschaftlichen Gesichtspunkten den Bau des Kernkraftwerks zugestimmt. Um einen Interessenkonflikt zu vermeiden, trat der bayerische Wirtschaftsminister, Anton Jaumann, und der Oberbürgermeister von Augsburg, Hans Breuer, im Juni 1977 aus dem Aufsichtsrat der LEW aus.[6] Am 14. September 1977 wurden erste Probebohrungen am, Standort begonnen, die am 17. September 1977 von Demonstrationen der Bürgerinitiative Augsburg begleitet wurden. Von der Demonstration distanzierten sich andere Bürgerinitiativen, die gegen das Kernkraftwerk waren, sodass lediglich 40 Personen teilnahmen. Am 2. Oktober 1977 kam es zu einer Fahrzeugdemonstration in Augsburg mit 100 Personen.[7] Anfang 1978 sprach sich dann die Stadt Augsburg generell gegen den Bau des Kernkraftwerks Rehling aus. Grund hierfür war, dass das Kernkraftwerk „existenziellen Belangen der Stadt und ihrer Bevölkerung zuwiderläuft“. Der Regionalverband Donau-Iller hingegen war dem Kernkraftwerk wohlgesonnen. Dennoch musste das Raumordnungsverfahren für das Kernkraftwerk Rehling im November 1977 unterbrochen werden, nachdem der bayerische Standortsicherungsplan einen Anhörungsverfahren unterzogen wurde. Außerdem sprachen sich innerhalb des Verfahrens mehrere Gemeinden und Gebietskörperschaften gegen den Bau eines Kernkraftwerks in Rehling aus.[8]

Am 4. Juni 1978, dem Tag des Umweltschutzes, gab es eine Radfahrer-Demonstration der Aktion Umweltschutz und der Bürgerinitiative Rehling mit Fahrt zum Gelände des geplanten Kernkraftwerks Rehling.[9] Im September 1978 wurde das Raumordnungsverfahren für das Kernkraftwerk Rehling wieder aufgenommen, nachdem das Verfahren zur Standortsicherung abgeschlossen wurde. Hierbei kam es allerdings zu Differenzen im Bezug auf das Kernkraftwerk Rehling, da verschiedene Instanzen unterschiedliche Schlüsse für und gegen das Projekt zogen.[10] Ende Juni 1979 kam es zu einer gefälschten Befragung zum Kernkraftwerk Rehling in Augsburg, Rehling und Aindling, nachdem unbekannte gefälschte Fragebögen austeilten mit der Kennzeichnung seitens Lech-Elektrizitätswerke AG, sowie der Unterschrift von drei Vorstandsmitgliedern. Die LEW wies zurück, dass eine offizielle Befragung stattfinden würde und bezeichnete die Befragung als Fälschung.[11]

Verlagerung nach Pfaffenhofen

Überraschend beantragte das RWE und LEW am 29. Januar 1980 ebenfalls die Prüfung eines Raumordnungsverfahren für den Standort Pfaffenhofen an der Zusamen als Alternativstandort für das Kernkraftwerksprojekt Rehling.[12][13] Pfaffenhofen an der Zusam war bereits am 4. Oktober 1977 seitens der bayerischen Staatsregierung in den Standortsicherungsplan aufgenommen worden für den ausschließlichen Bau eines Kernkraftwerks.[7] Wie auch schon im Fall von Rehling hat sich die Stadt Augsburg auch 1978 bereits gegen ein etwaiges Kernkraftwerk in Pfaffenhofen ausgesprochen.[8] Hintergrund für den eventuellen Standortwechsel war insbesondere ein Einspruch des Verteidigungsministerium und der US-Streitkräfte, da nahe des Standorts Rehling eine NATO-Radarfrühwarnanlage steht und man eventuelle Störung durch elektrische Anlagen des Kernkraftwerks fürchtete. Mitte Dezember 1980 billigte der Bezirksplanungsbeirat von Schwaben mit großer Mehrheit den neuen Standort Pfaffenhofen an der Zusamen.[14] Aufgrund der Standortänderung erwartete man die Inbetriebnahme frühstens 1989 oder im Jahr 1990, was abhängig vom Ablauf des Genehmigungsverfahren gewesen wäre.[15]

Am 9. Oktober 1981 schloss die Bezirksregierung Schwaben das Raumordnungsverfahren sowohl für den Standort Rehling, als auch für den Standort Pfaffenhofen. In der Bundesrepublik handelte es sich hierbei um einen Präzedenzfall, da erstmals in einen Raumordnungsverfahren zwei alternative Standorte gleichzeitig geprüft wurden. Dennoch merkte die Bezirksregierung an, dass die den Standort Rehling aus der Sicht der Raumordnung und der Landesentwicklung nicht befürworte.[16] Daher wurde auch entschieden das Kernkraftwerk in Pfaffenhofen zu errichten. Man plante im zweiten Halbjahr 1982 die erste Teilerrichtungsgenehmigung zu beantragen für einen Baubeginn 1984 und einer Inbetriebnahme 1990.[17] Am 15. Juli 1982 stellten RWE und LEW beim Bayerischen Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen den Antrag auf Erteilung der Errichtungsgenehmigung nach Atomgesetz §7, für den ersten 1300 MW-Block, sowie einen Standortvorbescheid für den Bau des zweiten 1300 MW-Blocks. Zeitgleich gab es erneut Widerstand gegen die Anlage, geführt vom Bund Naturschutz, sowie der Schutzgemeinschaft Donauried, die begannen Sperrgrundstücke aufzukaufen, um so den Verkauf an die KRL zu verhindern. Gegen verkaufswillige Landbesitzer, die das Grundstück dem Kernkraftwerkserbauer zur Verfügung stellen wollten, wurden Drohungen ausgesprochen.[18]

Anfang 1983 stellte RWE und LEW gemeinsam das Projekt zurück und verschob die Terminplanung für den Bau der Blöcke auf einen unbestimmten Zeitpunkt. Die beiden Energieversorger begründeten diesen Schritt damit, dass der Strombedarf nicht so stark steige wie ursprünglich geplant, sowie die Schwierigkeiten beim Ankauf der Grundstücke für das Kernkraftwerk, insbesondere aufgrund des Ankaufs von Sperrgrundstücken durch Gegner des Kernkraftwerks Pfaffenhofen. Das atomrechtliche Genehmigungsverfahren wurde allerdings als nach wie vor anhängig bezeichnet und der Standort seitens RWE und LEW nicht aufgegeben.[19][20] Im Februar 1987 gab das RWE bekannt, dass die Planungen für das Kernkraftwerk Pfaffenhofen gestoppt wurden, der Standort allerdings für ein Kernkraftwerks nach wie vor beibehalten werden soll. Für das RWE war es ein Strategiewechsel, da man sich mehr auf den Neubau von Kohlekraftwerken auf Braunkohlebasis konzentrieren wollte.[21][22] Im Jahr 1988 gab das RWE bekannt, dass man zwar die Genehmigungsverfahren und Planungen für Biblis C, Pfaffenhofen A und Neupotz A ruhen lässt, allerdings nicht aufgibt. Diese ruhenden Projekte sollten bei Bedarf, der 1988 allerdings mittelfristig nicht ersichtlich war, wieder reaktiviert werden.[23] Angebote für den Block wurden von keinem Unternehmen angefordert und daher auch nie bestellt.

Tatsächlich wurde das Projekt nie förmlich storniert, weshalb es nach wie vor in den Verwaltungsakten geführt wird, sowie die Planungen für den ersten Block im Power Reactor Information System der IAEA nach wie vor als gestoppt (engl. suspended) statt storniert (engl. cancelled) geführt werden.[24]

Standortdetails

Der Standort liegt am östlichen Lechufer, etwa 12 Kilometer nördlich von Augsburg.[25]

Eigentümer und Betreiber

Im November 1975 gründete RWE und LEW zusammen die Kernkraftwerk RWE-LEW GbR, an der RWE 75 % der Anteile hielt und LEW 25 % der Anteile.[1]

Daten der Reaktorblöcke

Reaktorblock
(Zum Ausklappen Block anklicken)
Reaktortyp Leistung Baubeginn Netzsyn-
chronisation
Kommer-
zieller Betrieb
Stilllegung
Typ Baulinie Netto Brutto

Einzelnachweise

  1. a b Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 20. Handelsblatt GmbH, November 1975. Seite 539.
  2. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 21. Handelsblatt GmbH, März 1976. Seite 129.
  3. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 21. Handelsblatt GmbH, Mai 1976. Seite 222.
  4. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 21. Handelsblatt GmbH, November 1976. Seite 502.
  5. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 22. Handelsblatt GmbH, März 1977. Seite 131.
  6. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 22. Handelsblatt GmbH, September 1977. Seite 438.
  7. a b Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 22. Handelsblatt GmbH, November 1977. Seite 550.
  8. a b Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 23. Handelsblatt GmbH, Juni 1978. Seite 254.
  9. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 23. Handelsblatt GmbH, Juli/August 1978. Seite 307.
  10. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 24. Handelsblatt GmbH, März 1979. Seite 106.
  11. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 24. Handelsblatt GmbH, November 1979. Seite 391.
  12. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 25. Handelsblatt GmbH, März 1980. Seite 106.
  13. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 25. Handelsblatt GmbH, April 1980. Seite 211.
  14. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 26. Handelsblatt GmbH, November 1981. Seite 49, 50.
  15. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 26. Handelsblatt GmbH, April 1981. Seite 268.
  16. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 26. Handelsblatt GmbH, Novbember 1981. Seite 574.
  17. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 27. Handelsblatt GmbH, April 1982. Seite 229, 230.
  18. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 27. Handelsblatt GmbH, Oktober 1982. Seite 484, 485.
  19. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 28. Handelsblatt GmbH, März 1983. Seite 110.
  20. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 28. Handelsblatt GmbH, April 1983. Seite 218.
  21. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 32. Handelsblatt GmbH, Februar 1987. Seite 59.
  22. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 32. Handelsblatt GmbH, April 1987. Seite 158.
  23. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 33. Handelsblatt GmbH, April 1988. Seite 188, 195.
  24. a b Power Reactor Information System der IAEA: „Nuclear Power Reactor Details - PFAFFENHOFEN“ (englisch) (Archivierte Version bei The Wayback Machine)
  25. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 23. Handelsblatt GmbH, April 1978. Seite 177.
  26. Nuclear Engineering International: 2011 World Nuclear Industry Handbook, 2011.
  27. International Atomic Energy Agency: Operating Experience with Nuclear Power Stations in Member States. Abrufen.

Siehe auch