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Kernkraftwerk Bailly

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Kernkraftwerk Bailly
Das Kohlekraftwerk im Hintergrund, vorgelagert Arcelor Mittal Burns Harbor
Das Kohlekraftwerk im Hintergrund, vorgelagert Arcelor Mittal Burns Harbor
Standort
Land Flag of the United States.svg Vereinigte Staaten
Bundesstaat Indiana
Ort Bailly
Koordinaten 41° 38′ 34″ N, 87° 7′ 28″ WTerra globe icon light.png 41° 38′ 34″ N, 87° 7′ 28″ W
Reaktordaten
Eigentümer North Indiana Public Services
Betreiber North Indiana Public Services
Vertragsjahr 1967
Bau storniert 1981
Bau storniert 1 (686 MW)
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Die Quellen für diese Angaben sind in der Zusatzinformation einsehbar.

Das Kernkraftwerk Bailly (englisch Bailly Nuclear Power Plant) sollte nahe der Ortschaft Bailly im US-Bundesstaat Indiana entstehen als Block 3 des Kraftwerks Bailly.[1] Nachdem die Planungen mit dem Designer der Anlage mehrere Jahre in Anspruch nahmen, wurde nach Erteilung der Baugenehmigung der Bau durch Projektgegner blockiert durch juristische Prozesse. Nachdem eine Kostensteigerung für die Jahre danach hohe Kosten für das Unternehmen bedeutet hätten, wurde der Bau 1981 storniert. Namensgeber für die Anlage ist Joseph Bailly de Messein, ein französisch-kanadischer Pelzfänger und Händler.[2]

Geschichte

Am 17. Januar 1967[3] gab die Northern Indiana Public Services Company bekannt, bei General Electric einen BWR/3 mit einer Leistung von 515 MW bestellt zu haben. Als Referenzanlage sollte Block 2 des Kernkraftwerks Dresden dienen. Als Standort wählte man das Gelände des bestehenden Kohlekraftwerks Bailly nahe der Ortschaft Gary. Das Unternehmen Sargent & Lundy wurde als Ingenieur-Architekt ausgewählt. Ursprünglich plante man mit dem Bau des 80 Millionen Dollar (364 Millionen DM[4]) kostenden Kernkraftwerks im Sommer 1968 zu beginnen, sodass es im Herbst 1972 am Netz sei sollte.[5] Bis 1969 wurde diese Zeitschiene geändert und die Inbetriebnahme frühstens 1975 erwartet.[4] Im Jahr 1970 wurde nach längerer Diskussion zwischen General Electric und der Northern Indiana Public Services das Reaktormodell auf BWR/5 geändert und die Leistung auf 660 MW erhöht.[6]

Bau

Am 27. August 1970 stellte die Northern Indiana Public Services die Baugenehmigung für die Anlage bei der Atomic Energy Commission,[2] die sie am 1. Mai 1974 erteilte.[7] Noch im gleichen Jahr begannen die Arbeiten an dem Block.[8] Allerdings kam es bereits im Oktober 1974 am 7. Circuit Court of Appeals in Chicago zu einer gerichtlichen Entscheidung, die den Vollzug der Baugenehmigung außer Kraft setzte und damit den sofortigen Baustopp des Kernkraftwerks Bailly anordnete.[9][10] Dabei handelte es sich in den Vereinten Staaten um ein bisher nicht zuvor gefällte Entscheidung im Bezug auf Kernkraftwerke.[9] Die Abstimmung erfolgte mit einer Mehrheit von 2:1 und forderte als zusätzliche Auflage die Northern Indiana Public Services auf die bereits ausgehobene Baugrube wieder zuzuschütten. Hintergrund sind Klagen von Anwohnern, die argumentieren und seitens des Gerichts recht bekamen, dass die Atomic Energy Commission beim Platzierungsverfahren für die Anlage gegen ihre eigenen Vorgaben verstoßen habe. Diese habe die Atomic Energy Commission bei der Bevölkerungsdichte um das Kernkraftwerk Bailly den Abstand zum tatsächlich als nächsten bewohnten Gebiet genommen, während das Gericht die Richtlinie so interpretierte, dass der Abstand zur nächsten Gemeindegrenze als Maßgabe gelten müsse. Zusätzlich gab es Bedenken aufgrund der starken Besucher-Frequentierung des Naturschutzgebiets der Indiana Dunes, sowie der starken Konzentration vieler Kernkraftwerke um den Raum Chicago.[10]

Gegen die Entscheidung des Gerichts legte die Northern Indiana Public Services Berufung ein, für die Nuclear Regulatory Commission, die als rechtliche Nachfolgerin der Atomic Energy Commission eintrat, wurde die Frist auf einen Antrag auf Berufung verlängert, da man zunächst den Sachverhalt prüfen musste.[10] Diese legte noch im ersten Halbjahr 1975 ebenfalls Berufung gegen die Entscheidung ein.[11] Beide Anträge auf Berufung wurden seitens des 7. Circuit Court of Appeals abgelehnt, weshalb die Northern Indiana Public Services eine Revision der Entscheidung beim obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten eingelegt hat.[12] Der gab der Northern Indiana Public Services am 11. November 1975 recht und erklärte, dass der 7. Circuit Court of Appeals nicht berechtigt war auf Basis ihrer eigenen Interpretation und Auslegung der Atomic Energy Commission-Vorschrift über den Sicherheitsabstand im Zusammenhang mit der Bevölkerungsdichte in der Umgebung des Kernkraftwerks zurückzuweisen.[13] In der Folge verwarf am 13. April 1976 der 7. Circuit Court of Appeals weitere Klagen gegen das Projekt, die auf ähnlichen Argumenten beruhten, womit die Baugenehmigung der Anlage wieder ihre volle Wirksamkeit bekam. Seitens der Projektgegner wurden allerdings weitere Schritte gegen das Kernkraftwerk Bailly angekündigt,[14] weshalb die Abweisung der Klagen entsprechend mit einem Writ of Certiorari zum obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten gebracht wurden.[15] Der oberste Gerichtshof erklärte im November 1976 allerdings, dass es keinen Grund gebe die Baugenehmigung erneut zu überprüfen und die Abweisung der Klagen durch das 7. Circuit Court of Appeals zustimmte.[16]

Die Arbeiten gingen auf der Baustelle jedoch nicht weiter, da es zwischen der Nuclear Regulatory Commission und der Northern Indiana Public Services einen Konflikt gab anstatt langer Pfähle in das Grundgestein nur kurze Pfähle zu verwenden, weshalb bis auf die Baugrube und wenige bereits gesetzte Pfähle keine weiteren Arbeiten am Standort erfolgten.[17] Aufgrund der Verzögerungen baute ab 1975 die Northern Indiana Public Services einen weiteren mit Kohle befeuerten Block am Kraftwerk Bailly, sowie einen weiteren am Kraftwerk Schahfer.[18]

Aufgrund der starken Verzögerung stiegen die Kosten seit dem Wechsel des Reaktormodells von 187 Millionen Dollar auf knapp 1,81 Milliarden Dollar bis zur Fertigstellung nunmehr im Jahr 1989, was begründet wird durch die Gerichtsprozesse, sowie Verzögerungen dadurch in der Planung.[19] Allerdings wurde innerhalb der Northern Indiana Public Services angenommen, dass 1989 nicht haltbar sei und eine Verzögerung bis 1990 weitere 161 Millionen Dollar an Kosten verursachen würde, bis 1991 rund 324 Millionen Dollar. Auch ist gegen Ende der 1970er die Unterstützung für den Standort seitens der Nuclear Regulatory Commission weggefallen, da auch sie nicht nur mittlerweile nach neuen Erkenntnissen Standortbedingungen anders sehe, sondern auch weil das Reaktormodell mittlerweile veraltet sei.[18] Da nur knapp 1 % der Arbeiten an der Anlage getätigt wurden, allerdings bis 1981 rund 200 Millionen Dollar investiert wurden, darunter auch die Fertigung der Hauptkomponenten,[19] entschied sich die Northern Indiana Public Services im August 1981 den Bau der Anlage zu stornieren.[18][19][8] Die Kosten sollten über 10 Jahre durch Tarifzuschläge abgeschrieben werden.[19] Die Northern Indiana Public Services hielt sich allerdings offen nach 1989, wie die Verbrauchsprognosen bis dahin vorhersagten, den Bau des Kernkraftwerks Bailly wieder zu erwägen.[18] Zuletzt äußerte sich die Northern Indiana Public Services im Jahr 2017 dazu und erklärte, dass man keine Pläne mehr habe ein Kernkraftwerk zu bauen und das Unternehmen zu klein sei um es betreiben zu können.[3]

Im Januar 1982 löste sich die führende Gegnerschaft, die Bailly Alliance auf. Deren zeitliche Aufnahmen der Proteste gegen das Kernkraftwerk befinden sich heute im Calumet Regional Archive der Indiana University Northwest.[3] Im September 1982 genehmigte die Indiana Public Service Commission der Northern Indiana Public Services, die Gesamtkosten von 190,7 Millionen Dollar über 15 Jahre über den Strompreis abzuschreiben. Mehrere Verbraucher reichten allerdings eine Klage gegen die Public Service Commission, woraufhin im Dezember 1982 das Gericht die Abschreibung über den Strompreis untersagte, da es weder der Northern Indiana Public Services, noch einen anderen Energieversorger zustehe ein storniertes Kraftwerk über die Stromgebühren abzuschreiben.[20]

Standortdetails

Besiedlungsdichte um die Standorte bis 1985[17]
Distanz Bailly Schahfer
0 bis 8 km 29.793 3.201
0 bis 32 km 700.000 80.000
0 bis 48 km 2.502.531 473.215
0 bis 64 km 6.000.000 1.200.000

Der Standort Burns Harbor befindet sich direkt an der Küste des Lake Michigan. Das Kernkraftwerk sollte südwestlich der bestehenden Kohlekraftwerke errichtet werden, an der Grenze des Geländes zum Stahlwerk Betlehem Steels, heute Arcelor Mittal Burns Harbor. Östlich schließt das Naherholungsgebiet Indiana Dunes an, das als Naturschutuzgebiet ausgewiesen ist. Das Gelände liegt zwischen 194 und 204 Meter über dem Meeresspiegel. [2]

Umstritten war insbesondere die dichte Besiedlung in diesem Gebiet, was zu Protesten führte. Hinsichtlich der Besiedlungsdichte sollte der Standort einer der dichtbesiedelsten in den USA sein. Für ein Scheitern des Standorts Bailly wurde als alternativer Standort das Kraftwerk Schahfer am Fluss Kankakee benannt, der eine weitaus geringere Besiedlung aufgewiesen hätte.[17]

Technik

Der Reaktorblock sollte mit einem Siedewasserreaktor des Typs BWR/5 ausgestattet werden mit einer thermischen Leistung von 1931 MW.[2] Die Bruttoleistung sollte bei 686 MW liegen, von denen 660 ME netto ins Netz gespeist werden sollten.[8] Das Kühlwasser sollte aus dem Lake Michigan entnommen werden und in einem geschlossenen Kreis mit einem Kühlturm gekühlt werden. Eine endgültige Höhe wurde für den Kühlturm nicht festgelegt, aber eine Höhe zwischen 122 und 152 Meter angegeben.[2]

Daten der Reaktorblöcke

Reaktorblock
(Zum Ausklappen Block anklicken)
Reaktortyp Leistung Baubeginn Netzsyn-
chronisation
Kommer-
zieller Betrieb
Stilllegung
Typ Baulinie Netto Brutto

Einzelnachweise

  1. United States. Congress. Senate. Committee on the Judiciary. Subcommittee on Antitrust and Monopoly: Competitive Aspects of the Energy Industry: Hearings, Ninety-first Congress, Second Session, Pursuant to S. Res. 334, Teile 1-2, U.S. Government Printing Office, 1971. Seite 569.
  2. a b c d e U.S. Atomic Energy Commission: Bailly Generating Station, Nuclear 1, Construction: Environmental Impact Statement, 1973. Seite 1 bis 4.
  3. a b c The Times of Northwest Indiana: When NIPSCO wanted a nuke, 17.01.2017. Abgerufen am 21.10.2019. (Archivierte Version bei Internet Archive)
  4. a b Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 14. Handelsblatt GmbH, September/Oktober 1969. Seite 444.
  5. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 12. Handelsblatt GmbH, Februar 1967. Seite 54.
  6. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 15. Handelsblatt GmbH, Mai 1970. Seite 207.
  7. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 19. Handelsblatt GmbH, Juni 1974. Seite 264.
  8. a b c d Power Reactor Information System der IAEA: „Nuclear Power Reactor Details - BAILLY“ (englisch) (Archivierte Version bei The Wayback Machine)
  9. a b Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 20. Handelsblatt GmbH, Januar 1975. Seite 14.
  10. a b c Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 20. Handelsblatt GmbH, Mai 1975. Seite 230.
  11. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 20. Handelsblatt GmbH, Juni 1975. Seite 278.
  12. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 20. Handelsblatt GmbH, Juli/August 1975. Seite 330.
  13. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 20. Handelsblatt GmbH, Dezember 1975. Seite 601.
  14. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 21. Handelsblatt GmbH, Juni 1976. Seite 282.
  15. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 21. Handelsblatt GmbH, Dezember 1976. Seite 567.
  16. Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 22. Handelsblatt GmbH, Februar 1977. Seite 62.
  17. a b c United States. Congress. House. Committee on Interior and Insular Affairs. Subcommittee on Energy and the Environment: Accident at the Three Mile Island Nuclear Powerplant: Oversight Hearings Before a Task Force of the Subcommittee on Energy and the Environment of the Committee on Interior and Insular Affairs, House of Representatives, Ninety-sixth Congress, First Session, U.S. Government Printing Office, 1979. Seite 183, 186.
  18. a b c d The New York Times: UTILITY CANCELS NUCLEAR PLANT NEAR INDIANA DUNES, 30.08.1981. Abgerufen am 21.10.2019. (Archivierte Version bei Internet Archive)
  19. a b c d Kerntechnische Gesellschaft (Bonn, Germany), u.a.: Atomwirtschaft, Atomtechnik, Band 26. Handelsblatt GmbH, November 1981. Seite 575.
  20. Chicago Tribune: FUTURE OF 2 UTILITIES RIDES ON INDIANA NUCLEAR DECISION, 31.10.1985. Abgerufen am 21.10.2019. (Archivierte Version bei Internet Archive)
  21. Nuclear Engineering International: 2011 World Nuclear Industry Handbook, 2011.
  22. International Atomic Energy Agency: Operating Experience with Nuclear Power Stations in Member States. Abrufen.

Siehe auch

Icon NuclearPowerPlant-green.svg Portal Kernkraftwerk